Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29
Automated Translation
Magazin für Literatur 1898, Volume 67, 39
89. “Grandmother”
A comedy in four acts by Max Dreyer
Performance at the Lessing Theater, Berlin
I have obviously misjudged Max Dreyer so far. When his comedy "In Behandlung" was performed last year, I still thought he had artistic aims. At the time, the trivial jokes and farcical exaggerations seemed to illuminate something like an artistic problem. Grandma" teaches me that Max Dreyer does not want to be taken as an artist at all. He wants to amuse a theater audience for two hours and a half, as Schönthan, Kadelburg and other non-poets want to do. If you only know that, then it's good. You act accordingly and make no false claims. Why should one say of a droll snack that it is literarily worthless? Because Max Dreyer wants to bring nothing more than droll jokes, and he has succeeded in doing so excellently. The fact that a seemingly stubborn bachelor rants about women, calls them "weak-minded", even "criminal", that he sets up a home in which there is not a single female servant because the man once had misfortune when he went out on his own, is the kind of thing that makes you think: I must have heard that somewhere before. It goes without saying - according to theatrical technique - that a crowd of women then invades his womanizing milieu, just as it goes without saying that several marital bonds are formed in this milieu and that the misogynist finally kisses, hearts, marries and resolves not to remain without offspring. This "plot" contains a lot of banal but laugh-out-loud exaggerations. Max Dreyer has provided an excellent script for the actors, who were able to develop all their skills with a wealth of nuances. Franz Guthery portrayed the blustering, ranting, boozing, gorging, misogynistic bachelor, who finally allows himself to be smacked and stroked, as the writer of the text obviously intended. I assume that he thought: I am writing a role that a good actor can make something of. Hedwig Niemann-Raabe, who as the widow Mathilde has to "treat" the misogynist, was once again what she has always been: a great actress. I could only say good things about the other actors. All this means no more than that the Lessing Theater could put on good plays if it had them. Good plays, where are you? You will not be prevented from coming into your own in this theater. Shouldn't there be something that finally comes from a real living poet? Are all poets dead? I don't think so. They will come, and then the Lessing Theater will belong to the living. After all, we are talking about living poets! Max Dreyer may be alive, but a poet ... well...
«GROSSMAMA»
Schwank in vier Aufzügen von Max Dreyer
Aufführung im Lessing-Theater, Berlin
Max Dreyer habe ich offenbar bisher falsch beurteilt. Als im vorigen Jahre sein Lustspiel «In Behandlung» aufgeführt wurde, dachte ich noch, er hätte künstlerische Ziele. Damals schien aus den trivialen Späßen und possenhaften Übertreibungen so etwas wie ein künstlerisches Problem durchzuleuchten. Die «Großmama» belehrt mich darüber, daß Max Dreyer gar nicht als Künstler genommen sein will. Er will ein Theaterpublikum zwei Stunden und eine halbe lang amüsieren, wie es Schönthan, wie es Kadelburg und andere Nichtdichter wollen. Wenn man das nur weiß, dann ist es gut. Man richtet sich danach und macht keine falschen Ansprüche. Wozu sollte man denn auch von einem drolligen Schnack sagen, daß er literarisch ein wertloses Zeug ist? Denn nichts weiter als drollige Späße will Max Dreyer bringen, und das ist ihm ganz vorzüglich gelungen. Daß ein starrsinnig scheinender Junggeselle über die Weiber schimpft, sie «gehirnschwach», sogar «verbrecherisch» nennt, daß er sich ein Heim einrichtet, in dem kein einziger weiblicher Dienstbote ist, weil der Mann einst Mißgeschick gehabt hat, als er auf Freiersfüßen ging, das ist so erwas, bei dem man denkt: das muß ich schon einmal irgendwo gehört haben. Daß dann eine Schar von Weibern in sein weiberreines Milieu eindringt, ist — nach der Theatertechnik — selbstverständlich, ebenso, daß sich in diesem Milieu mehrere eheliche Bande knüpfen und daß der Weiberfeind zuletzt selbst küßt, herzt, heiratet und sich vornimmt, nicht ohne Nachkommen zu bleiben. Diese «Handlung» nimmt eine Menge banaler, aber zum Lachen herausfordernder Übertreibungen auf. Max Dreyer hat ein vorzügliches Textbuch für die Schauspieler geliefert, die denn auch all ihr Können nuancenreich entfalten konnten. Den polternden, schimpfenden, saufenden, fressenden, weiberfeindlichen Junggesellen, der zuletzt sich abschmatzen und streicheln läßt, hat Franz Guthery so dargestellt, wie es offenbar der Schreiber des Textes wollte. Ich setze nämlich voraus, daß er sich gedacht hat: ich schreibe eine Rolle, aus der ein guter Schauspieler etwas machen kann. Hedwig Niemann-Raabe, die als Witwe Mathilde den Weiberfeind «in Behandlung» zu nehmen hat, war auch diesmal, was sie immer war: eine große Schauspielerin. Über die anderen Mitwirkenden könnte ich nur Gutes sagen. Das alles bedeutet nicht mehr, als daß das Lessing-Theater gute Stücke gur spielen könnte, wenn es solche hätte. Gute Stücke, wo seid ihr? Man wird euch nicht hindern, in diesem Theater zur Geltung zu kommen. Sollte es denn nicht etwas geben, was endlich einmal von einem wirklichen lebenden Dichter herrührte? Sind denn alle Dichter tot? Ich glaube es nicht. Sie werden kommen, und dann wird das Lessing-Theater den Lebenden gehören. Denn es handelt sich doch um lebende Dichter! Max Dreyer lebt zwar, aber ein Dichter ... na...