Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus
GA 24
Über «Erwiderungen» auf den «Matin»-Artikel
Dreigliederung, 3. Jg., Nr. 17 vom 26. Oktober 1921
[ 1 ] Als ich die wenigen «nachträglichen Bemerkungen» in Nr. 15 dieser Wochenschrift zu Dr. Sauerweins Wiedergabe eines Gespräches zwischen ihm und mir schrieb, hatte ich noch keine der Äußerungen gelesen, die in der Presse über den «Matin»-Artikel erschienen sind. Ich setzte voraus, jeder unbefangene Leser dieses Artikels müsse erkennen, daß in dem, was ich über von Moltkes mündliche oder schriftliche Aussagen mitgeteilt habe, etwas liegt, dessen rechte weitere Erörterung dazu führen müsse, daß die Welt nicht mehr von einer «Schuld» Deutschlands sprechen könne, sondern von einem tragischen Verhängnis. Denn durch diese Mitteilungen wird klar:
[ 2 ] 1. Daß die Verhältnisse Ende Juli 1914 in Deutschland die Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen in die Hand eines Mannes, des Generalstabschefs von Moltke geführt haben. Dieser durfte im entscheidenden Augenblicke nichts anderes tun als seine militärische Pflicht. Damit entfällt alles Reden über deutsche Kriegshetzer. Denn gerade von Moltkes Schilderung beweist, daß selbst, wenn solche Kriegshetzer vorhanden gewesen wären, sie auf von Moltkes Entscheidung ganz ohne Einfluß gewesen wären. Moltkes Schilderung ist nicht die einer Partei, sondern diejenige des Mannes, der mit feinst ausgeprägtem Verantwortlichkeitsbewußtsein gehandelt hat. Sein Wort kommt vor allen anderen in Betracht. Es ist nicht zur Belastung Deutschlands gesprochen.
[ 3 ] 2. Es geht aus der Wiedergabe von von Moltkes Aussagen hervor, daß dieser bis zu seinem Tode von einer Potsdamer Beratung (einem angeblichen Kronrat) am 5. oder 6. Juli nichts gewußt hat. Damit sind alle die Märchen, die an eine solche Beratung Entscheidendes geknüpft haben, widerlegt. Wie man sagen kann, ich tischte dieses Märchen weiter auf, ist mir unerfindlich.
[ 4 ] 3. Ich habe oft von von Moltke gehört, daß der Kriegsplan im wesentlichen von von Schlieffen herrühre. Wichtig erscheint, daß von Moltke betonte, er habe die Schlieffensche Absicht, mit dem rechten Flügel durch Südholland zu marschieren, fallen gelassen und lieber die großen technischen Schwierigkeiten auf sich genommen, die dadurch verursacht wurden, daß der rechte Flügel des deutschen Heeres sich durch den engen Raum zwischen Aachen und der Südgrenze der Provinz Limburg hindurdizwängen mußte. Daraus ist doch für jeden Unbefangenen klar ersichtlich, daß die deutsche Heeresleitung auf das allerernstlichste bemüht war, gegen Westen hin von dem, was dann als so schweres Unrecht angesehen worden ist, nicht um ein Häkchen mehr zu tun, als was sie nach der auf ihr lastenden Verantwortung tun mußte. Alles andere wäre Sache der politischen Leitung gewesen. Zum Beleg dieser Tatsache kann dienen, daß von Schlieffen mehr für notwendig gehalten hat. Daraus, daß vor mehr als einem Jahrzehnt vor Kriegsausbruch die Absicht bestanden hat, durch Holland zu marschieren, kann doch wahrhaftig für die Ereignisse von 1914 nichts geschlossen werden. Deutschland damit belasten zu wollen, ist einfach lächerlich.
[ 5 ] 4. Wer von Moltke kannte, sollte wissen, daß von seinen Lippen in allen diesen Dingen keine Unwahrheit kommen konnte. Aber es ist für die Welt wichtig zu wissen, wie er sich in seine Umgebung in derjenigen Stunde hineingestellt fand, die er wie kein anderer als Deutschlands Schicksalsstunde ansah. Verschweigen, was zwischen ihm und seiner Umgebung sich abspielte, heißt der Welt das Wichtigste vorenthalten, was zur Beurteilung des Kriegsausbruches gewußt werden kann. Andere mögen, vielleicht um diesen oder jenen zu schonen, anders denken. Aber sie sollten demjenigen, der nun einmal nicht ihrer Meinung sein kann, nicht unlautere Absichten unterschieben.
[ 6 ] Nun sind von den Presseäußerungen, die an den Artikel von Dr. Sauerwein angeknüpft worden sind, wohl diejenigen der «Deutschen Allgemeinen Zeitung» solche, die man am ehesten ernst nehmen kann.
[ 7 ] Ich will gegenüber der Bemerkung des Generalmajors von Haeften, daß durch meine Mitteilungen ersichtlich gemacht werden soll: «Alle jene Männer, in deren Händen das Schicksal Deutschlands damals gelegen habe, seien mehr oder weniger Schwächlinge gewesen», nur dies sagen: Man braucht ja doch nur die vielen Memoiren zu lesen, die seit dem Kriegsende geschrieben worden sind, um zu ersehen, was sich «jene Männer» alles an die Köpfe werfen; und man wird dann doch bei unbefangenem Urteile kaum sagen: «Einer solchen Tendenz kann nicht ausdrücklich genug entgegengetreten werden.» Ich habe das Urteil von Moltkes wiedergegeben. Wer dafür Belege will, lese von Tirpitz' Memoiren. Was ich aber nicht gelten lassen kann, ist von Haeftens Satz: ... . denn Schwäche und Leichtfertigkeit in solcher Lage sind vielleicht belastender und eine größere Schuld als bewußter Kriegswille.» Kann man denn so sprechen, wenn man in der wirklichen und nicht in einer Gespensterwelt lebt? Was Deutschland vorgeworfen wird, ist «bewußter Kriegswille». In ihm sieht man seine Schuld. Kann man von bewußtem Kriegswillen nicht mehr sprechen, sondern nur von «légèreté» und «ignorance inconcevables» (unbegreiflichem Leichtsinn und Ignoranz), dann ist die Möglichkeit gegeben, darauf hinzuwirken, daß die Ansichten über die «Schuld» revidiert werden. Es ist übrigens bezeichnend, daß von Haeften nicht von dem spricht, was ich wirklich gesagt habe, sondern von «Schwäche und Leichtfertigkeit». Diese Worte habe ich in Deutschland oft gehört und gelesen; ich habe sie aber nicht gebraucht. Daß Leichtsinn und Ignoranz, also Eigenschaften, für die schließlich der nichts kann, der sie hat, eine «größere Schuld» begründen können als «bewußter Kriegswille», das wird erstens einem juristischen Denken schwer beizubringen sein, zweitens kann es, richtig angesehen, «in solcher Lage» wie die vom Juli 1914 wohl zum tragischen Verhängnis, aber eben nicht zur Verurteilung wegen «bewußter» Schuld führen.
[ 8 ] Was nun Herr von Haeften des weiteren über von Moltkes Verhältnis zu mir behauptet, das könnte er besser wissen. Er sagt: «Der Generaloberst von Moltke stand, solange er im Vollbesitz seiner Gesundheit war, Herrn Steiner und seinen Bestrebungen völlig ablehnend gegenüber, wenn auch die unter dem Bann der Steinerschen Ideen stehende Frau von Moltke des öfteren versucht hatte, ihren Gatten im Steinerschen Sinne zu beeinflussen. Erst der seelisch und körperlich kranke Generaloberst zeigte sich Steiners Ideen bei dessen Besuch im Schloß Homburg im November 1914 zugänglich, und nach seinem Rücktritt von der Stellung als Chef des Generalstabes des Feldheeres hat er Herrn Steiner sein Vertrauen geschenkt, ein Vertrauen, das dieser ihm heute schlecht dankt.» Diese Behauptungen über mein Verhältnis zu Herrn von Moltke sind sämtlich objektive Unwahrheiten. Wahr ist vielmehr das Folgende. Ich verkehrte seit 1904 im Hause des Herrn von Moltke. Ich wurde zu jedem einzelnen Besuch eingeladen. Die Einladung ging nicht etwa bloß von Frau von Moltke aus, sondern auch von Herrn von Moltke. Ich habe die allergrößte Verehrung für Herrn von Mol tke. Aber ich habe mich nie aufgedrängt. Die oft viele Stunden lang dauernden Unterhaltungen umfaßten immer Weltanschauungsfragen. Herr von Moltke war eben aufgeklärt genug, zu ersehen, daß meine Weltanschauung aller nebulosen Mystik ganz ferne steht und auf sicheren Erkenntnisgrundlagen ruhen will. Er wäre gar nicht leicht zu «beeinflussen» gewesen, auch wenn ich das versucht hätte. Er sah aber, daß ich auf «Beeinflussung» gar nicht ausgehe. Er sagte mir nicht einmal, sondern sehr oft: «Ihre Weltanschauung befriedigt den Verstand, weil bei ihr der Fall ist, was mir noch bei keiner anderen vorgekommen ist, alle Dinge tragen einander und fügen sich ohne Widerspruch ineinander.» Er hatte, weil sein Denken durchaus gesund war, auch gesunde Skepsis und kam über vieles nicht leicht hinweg. Immer wieder kamen ihm Zweifel. Aber auch den Zweifeln gegenüber machte er stets den oben angeführten Satz geltend. Er sagte mir auch: «Wenn die Leute mit der heute üblichen Bildung von Ihren Ansichten erfahren, dann werden Sie schöne Dinge zu erleben haben.»
[ 9 ] Dieses Verhältnis bestand seit 1904 von Herrn von Moltke zu mir; und darin hat sich durch meinen, auch auf Einladung erfolgten Besuch in Homburg nicht das geringste geändert. Er hat mir vom Homburger Besuch bis zu seinem Tode nicht weniger und nicht mehr Glauben geschenkt als durch zehn Jahre vorher. - Ob ich, nach seiner Ansicht, auf die es mir allein wirklich in dieser Sache ankommt, sein Vertrauen ihm schlechter danke als jemand, der davon spricht, daß von Moltke sich mit mir nur unterhalten habe, weil er seelisch und körperlich krank war, und der doch auch dessen Vertrauen genossen hat, darüber will ich gar nicht streiten. Mir fällt nur auf, daß jemand, der «in der dienstlichen Umgebung» des Generalobersten von Moltke bei Kriegsausbruch und während seines Aufenthaltes in Homburg war, von dem «Rücktritt von der Stellung als Chef des Generalstabes des Feldheeres» spricht, ohne zu fürchten, mit dieser Formulierung eine bedenkliche Phrase zu gebrauchen.
[ 10 ] Daß durch den Sauerweinschen Artikel das Märchen vom Kronrat am 5. Juli widerlegt wird, habe ich oben schon gesagt. Wenn gesagt wird, ich hätte verschwiegen, daß Generaloberst von Moltke von dem Kronrate nichts wissen konnte, weil er niemals stattgefunden hat, so erscheint mir das als Wortklauberei, denn wenn Herr von Moltke von einer solchen Sache nichts gewußt hat, so kann auch nichts stattgefunden haben, was von einer Bedeutung gewesen wäre.
[ 11 ] Daß heute Holland in einen neuen französischen Propagandafeldzug bezüglich der Schuldfrage von vernünftigen Leuten nicht hineingezogen werden kann, weil gesagt worden ist, Herr von Moltke wollte eben von einem Durchmarsch durch Holland absehen, das scheint mir, wie ich oben gesagt habe, durchaus klar. Herrn von Moltkes Worte beweisen eben, daß lange vor 1914 von einem solchen Durchmarsch abgesehen worden ist, trotzdem Herr von Schlieffen, den auch Herr von Moltke als große militärische Autorität angesehen hat, glaubte, ein solcher könnte notwendig sein. Ganz belanglos aber ist nicht, daß dieser Durchmarsch, von dem auch Herr von Haeften zugibt, daß von Schlieffen ihn in den «Kreis seiner Erwägungen» gezogen hat, nur unter der Voraussetzung hätte verwirklicht werden sollen, wenn «Holland im Falle eines Kriegsausbruches freiwillig auf deutsche Seite treten würde». So sagt Herr von Haeften. Dies wird niemand bestreiten. Und wenn, wie es vom militärischen Standpunkte durchaus zugegeben werden muß, dies eine Entlastung für Deutschland ist, so darf auch behauptet werden, daß bei weiterer Prüfung dieser Angelegenheit die Erwähnung der von Schlieffenschen Absichten bezüglich Hollands auch den Durchmarsch durch Belgien in einem anderen Lichte erscheinen lassen müßte, als in dem, in welchem man ihn bisher allein gesehen hat. Denn diese Voraussetzung trifft auch innerhalb gewisser Grenzen für Belgien zu. Herr von Moltke rechnete damit, daß Belgien zwar sich nicht auf deutsche Seite stellen werde, aber doch sich soweit freundlich zeigen werde, daß es dem Durchmarsch keinen Waffenwiderstand entgegensetzen werde. Es ist deshalb gar nicht so unbedingt sicher, daß Deutschland auf alle Fälle durch Belgien marschiert wäre, wenn die Dinge in den entscheidenden Tagen sich nicht einfach überstürzt hätten. Wie über diese Dinge politisch zu urteilen ist, das habe ich hier nicht zu erörtern, trotzdem ich weiß, daß die belgische Neutralitätsgarantie eine ganz besondere war; denn ich habe nicht darüber mit Dr. Sauerwein gesprochen, sondern nur über die Auffassung Herrn von Moltkes.
[ 12 ] Die von Herrn von Haeften erwähnten Datenverschiebungen, die sich in dem Sauerweinschen Artikel finden, sind in Nr. 15 dieser Wochenschrift richtiggestellt. Was von Haeften an Einzelheiten zu dem im «Matin»-Artikel Gesagten hinzufügt, widerspricht im wesentlichen nicht dem dort Gesagten; ergänzt es sogar und bestätigt es in wesentlichen Punkten. Herr von Haeften sagt: «Die Behauptung des Herrn Steiner, daß Generaloberst von Moltke sich geweigert habe, einen ihm durch einen Flügeladjutanten überbrachten diesbezüglichen Befehl des Kaisers gegenzuzeichnen und den Offizier zurückgeschickt habe, ist freie Erfindung. Der Generaloberst von Moltke hat lediglich einem entsprechenden Befehlsentwurf des Chefs der Operationsabteilung (Oberstleutnant Tappen) die Unterschrift verweigert.» Zu korrigieren ist da doch nichts anderes als der «Flügeladjutant», denn auch ich habe nicht behauptet, daß der «Befehlsentwurf» vom Kaiser eigenhändig geschrieben war. Und daß über Flügeladjutanten ein Offizier besser Bescheid weiß als Sauerwein, das gebe ich gerne zu. Von Moltkes eigene Worte darüber sind: «Wie mir die Depesche an die 16. Division vorgelegt wurde, die den telephonisch gegebenen Befehl wiederholte, stieß ich die Feder auf den Tisch und erklärte, ich unterschreibe sie nicht.» Herr von Haeften betont: «Der General von Moltke war trotz mancher gegensätzlicher Auffassungen, namentlich während der letzten Lebensjahre, ein seinem Kaiser in unwandelbarer Treue ergebener Soldat.» Dem ist vollinhaltlich beizustimmen. Man kann sogar noch mehr sagen. Von Moltke war einer der allerbesten Diener seines Kaisers. Und als Mann, der sich stets seiner Verantwortung voll bewußt war, hielt er sich nie davor zurück, dem Kaiser diejenigen Ratschläge zu geben, die er als die für diesen am besten geeigneten hielt, auch wenn sie den Meinungen des Kaisers zuwiderliefen. Aber das ist es gerade, was von Moltkes Aussprüche, die vollkommen richtig wiedergegeben sind, so wertvoll macht. Es hat sie nicht ein Gegner des Kaisers gemacht, sondern es hat sie sich einer der treuesten Diener aus der Sache heraus abgerungen. Wer da glaubt, daß von Moltke aus Groll oder Verbitterung gesprochen hat, der verkennt doch den Generalobersten. Ihn hat niedergeworfen alles, was er von Ende Juli 1914 an erlebt hat; nie aber war er in einem Zustand, der als seelische Erkrankung in dem Sinne bezeichnet werden darf, wie es jetzt diejenigen tun, die glauben, seine Aussprüche mit seiner Seelenverfassung entschuldigen zu müssen.
[ 13 ] Was er gesagt hat, ist meiner festen Überzeugung nach geeignet, alle bisherige Diskussion über die «Schuldfrage» auf eine Grundlage zu stellen, auf der sie ja nicht die gegenwärtigen Machthaber der Siegerstaaten haben wollen, aber für die in aller Welt immer mehr vernünftige Menschen werden zugänglich sein. Ich kann gar nicht verstehen, warum für eine solche Erwägung Herr von Haeften, den ich als vernünftigen Mann kennengelernt habe, heute nicht zugänglich ist. Man sollte doch erkennen, daß das deutsche Volk gerade dann am meisten wird «auszubaden» haben, wenn solche Dinge zu sagen, wie sie von Moltkes Auffassung entspringen, immer wieder als Vergehen hingestellt wird. Das deutsche Volk hat nicht nötig, mit der Wahrheit zurückzuhalten. Geschadet haben ihm bisher am meisten diejenigen, die glaubten, das tun zu müssen. Die Wahrheit wird das deutsche Volk nicht belasten, sondern entlasten. Das hätte man einsehen sollen in den Tagen, die dem Versailler Frieden vorangingen. Das sollte man heute wieder einsehen. Diejenigen, welche die deutschen Politiker von 1914 verteidigen wollen, sollten doch erinnert werden, was von Tirpitz in seinen «Erinnerungen» schreibt. Zum Beispiel Seite 242: «Der Eindruck von der Kopflosigkeit unserer politischen Leitung wurde immer beunruhigender. Der Durchmarsch durch Belgien schien ihr vorher nicht (er meint in der Nacht vom 1. zum 2. August) eine feststehende Tatsache gewesen zu sein. Seit der russischen Mobilmachung machte der Kanzler den Eindruck eines Ertrinkenden... . Während sich die Juristen des Auswärtigen Amtes in die Doktorfrage vertieften, ob wir nun schon mit Rußland im Kriege stünden oder noch nicht, stellte sich nebenbei heraus, daß man vergessen hatte, Österreich zu fragen, ob es mit uns gegen Rußland kämpfen wollte.» Seite 245 sagt derselbe von Tirpitz: «Nach dem Weggang des Kanzlers aus der Sitzung beklagte sich Moltke beim Kaiser über den ‹deplorablen› Zustand der politischen Leitung, die keinerlei Vorbereitungen für die Lage besäße und jetzt, da die Lawine im Rollen wäre, immer noch an nichts als juristische Noten dächte.» Und Männern, über die einer (von Tirpitz), der mit ihnen gearbeitet hat, so sprechen muß, soll das deutsche Volk nicht Kritik, sondern «Dank» entgegenbringen. Es soll sich genügen lassen mit der Meinung, daß sie «durchaus logisch und pflichtgemäß gedacht und gehandelt haben». Seite 248 sagt von Tirpitz: «Die moralische Schuldlosigkeit unserer damaligen Regierung kann aber nur klargelegt werden durch eine offene Darstellung ihrer diplomatischen Unzulänglichkeit.....
[ 14 ] Von Moltkes Ansichten und Aussagen liegen durchaus in der Richtung, in der diese Dinge klargelegt werden müssen. Bringt man sie zur richtigen Erörterung, so können sie ihre Wirkung nicht verfehlen. Werden sie aber so erörtert, wie das bisher geschehen ist, so geschieht natürlich gerade dadurch etwas, was das deutsche «Volk wird ausbaden müssen», wie es leider wahrhaftig schon genug «ausbaden» muß.
[ 15 ] Ob man ein Recht hat, von «politischen Dilettanten» so zu sprechen, wie es Herr von Haeften tut, mit dem Hintergrund, der unter anderem auch mit von Tirpitz' Worten Seite 248 gegeben ist, muß doch ernstlich in Frage gestellt werden. Da steht, daß die Politiker von 1914 «gefehlt haben» ... «durch Mangel an geradem und klarem Denken.»
[ 16 ] Über persönliche Verunglimpfungen, wie sie liegen in Sätzen von meiner «Sucht, eine politische Rolle zu spielen», möchte ich vorläufig lieber schweigen. Von Herrn von Haeften, den ich einmal als einen vornehm denkenden Mann kennengelernt habe, hätte ich das Urteil nicht erwartet. Es scheint, als ob man Vorurteile nicht bloß von vorneherein haben kann, sondern als ob, auch wenn man sie einmal nicht gehabt hat, man sie sich hinterher auch erwerben kann.
[ 17 ] Was ich gesagt habe, habe ich geglaubt nicht verschweigen zu dürfen, weil ich leider sehe, daß Persönlichkeiten, die ja gewiß die subjektive Meinung haben können, nicht die «Geschäfte der Feinde» zu besorgen, dies gerade dadurch tun, daß sie der Wahrheit durchaus nicht freie Bahn geben wollen. Ich muß es, nach meiner Auffassung, auch heute wieder erkennen, wie in dieser Richtung von manchen Seiten gesündigt wird.
On “Rejoinders” to the “Matin” Article
Dreigliederung, Vol. 3, No. 17 of October 26, 1921
[ 1 ] When I wrote the few "subsequent remarks" in No. 15 of this weekly on Dr. Sauerwein's reproduction of a conversation between him and me, I had not yet read any of the comments that appeared in the press about the "Matin" article. I assumed that every unbiased reader of this article must recognize that there is something in what I have communicated about von Moltke's oral or written statements, the right further discussion of which must lead to the world no longer being able to speak of a "guilt" of Germany, but of a tragic doom. For these statements make it clear:
[ 2 ] 1. that the circumstances at the end of July 1914 in Germany placed the decision on the measures to be taken in the hands of one man, the Chief of the General Staff von Moltke. At the decisive moment, he was allowed to do nothing other than his military duty. This eliminates all talk of German warmongers. For it is precisely von Moltke's account that proves that even if such warmongers had been present, they would have had no influence on von Moltke's decision. Moltke's account is not that of a party, but that of a man who acted with a highly developed sense of responsibility. His word comes before all others. It is not spoken to the detriment of Germany.
[ 3 ] 2 It is clear from the reproduction of von Moltke's statements that he knew nothing of a Potsdam consultation (an alleged Crown Council) on July 5 or 6 until his death. This disproves all the fairy tales that have linked decisive events to such a council. How anyone can say that I continue to perpetuate this fairy tale is beyond me.
[ 4 ] 3. I have often heard from von Moltke that the war plan essentially originated with von Schlieffen. It seems important that von Moltke emphasized that he had abandoned von Schlieffen's intention of marching through southern Holland with the right wing, preferring to take on the great technical difficulties caused by the fact that the right wing of the German army had to force its way through the narrow space between Aachen and the southern border of the province of Limburg. From this it is clear to any unbiased person that the German army command was most earnestly endeavoring not to do a single bit more towards the west of what was then regarded as such a grave injustice than it had to do according to the responsibility it bore. Anything else would have been a matter for the political leadership. The fact that von Schlieffen considered more to be necessary can serve as proof of this fact. From the fact that more than a decade before the outbreak of war there was the intention to march through Holland, nothing can really be concluded about the events of 1914. To want to incriminate Germany with this is simply ridiculous.
[ 5 ] 4. Anyone who knew von Moltke should know that no untruth could come from his lips in any of these matters. But it is important for the world to know how he found himself in his surroundings in that hour which he regarded like no other as Germany's hour of destiny. To conceal what was going on between him and those around him is to withhold from the world the most important thing that can be known about the outbreak of war. Others may think differently, perhaps to spare this or that person. But they should not impute dishonest intentions to those who cannot agree with them.
[ 6 ] Now, of the press statements that have been linked to Dr. Sauerwein's article, those in the "Deutsche Allgemeine Zeitung" are probably the ones that can be taken most seriously.
[ 7 ] In response to Major General von Haeften's remark that my reports are intended to make it clear that "all those men in whose hands the fate of Germany lay at that time were more or less weaklings", I will only say this: After all, one need only read the many memoirs that have been written since the end of the war to see what "those men" threw at each other; and one will then hardly say, with an unbiased judgment, "Such a tendency cannot be opposed explicitly enough. " I have reproduced Moltke's judgment. If you want proof of this, read von Tirpitz's memoirs. What I cannot accept, however, is von Haeften's sentence: ... . for weakness and recklessness in such a situation are perhaps more burdensome and a greater guilt than a conscious will to war." Can one speak like this if one lives in the real world and not in a ghost world? What Germany is accused of is a "conscious will to war". It is seen as its fault. If one can no longer speak of a conscious will to war, but only of "légèreté" and "ignorance inconcevables" (incomprehensible recklessness and ignorance), then it is possible to work towards revising the views on "guilt". Incidentally, it is significant that von Haeften does not speak of what I actually said, but of "weakness and recklessness". I have often heard and read these words in Germany, but I have not used them. The fact that recklessness and ignorance, i.e. qualities for which those who have them are ultimately not responsible, can justify "greater guilt" than a "conscious will to war", will firstly be difficult to convey to a legal mind, and secondly, if viewed correctly, "in such a situation" as that of July 1914, it may well lead to tragic doom, but not to a conviction for "conscious" guilt.
[ 8 ] What Mr. von Haeften further claims about von Moltke's relationship with me, he could know better. He says: "As long as he was in full possession of his health, Colonel General von Moltke was completely opposed to Mr. Steiner and his endeavours, even though Mrs. von Moltke, who was under the spell of Steiner's ideas, had often tried to influence her husband in Steiner's direction. Only the mentally and physically ill colonel general showed himself open to Steiner's ideas during his visit to Homburg Castle in November 1914, and after his resignation from his position as chief of the general staff of the army, he placed his trust in Mr. Steiner, a trust that the latter does not repay him well today." These assertions about my relationship with Mr. von Moltke are all objective falsehoods. Rather, the following is true. I have frequented Mr. von Moltke's house since 1904. I was invited to every single visit. The invitation came not only from Mrs. von Moltke, but also from Mr. von Moltke. I have the greatest admiration for Mr. von Moltke. But I never imposed myself on him. The conversations, which often lasted many hours, always covered questions of worldview. Mr. von Moltke was enlightened enough to see that my world view was far removed from all nebulous mysticism and wanted to rest on a secure foundation of knowledge. He would not have been easy to "influence", even if I had tried. But he saw that I was not at all interested in "influencing" him. He told me not once, but very often: "Your world view satisfies the mind, because it is the case with it, which I have never encountered with any other, all things support each other and fit together without contradiction." Because his thinking was quite healthy, he also had healthy skepticism and did not get over many things easily. He had doubts time and again. But even in the face of these doubts, he always made use of the above-mentioned sentence. He also said to me: "When people with the usual education of today find out about your views, you will have wonderful things to experience."
[ 9 ] This relationship has existed between Mr. von Moltke and me since 1904; and my visit to Homburg, which was also by invitation, has not changed it in the slightest. From my visit to Homburg until his death, he believed me no less and no more than he had done ten years earlier. - Whether, in his opinion, which is the only thing that really matters to me in this matter, I thank him less for his trust than someone who says that von Moltke only talked to me because he was mentally and physically ill, and yet he also enjoyed his trust, I don't want to argue about that at all. It just strikes me that someone who was "in the official environment" of Colonel General von Moltke at the outbreak of the war and during his stay in Homburg speaks of his "resignation from his position as Chief of the General Staff of the Field Army" without fear of using a dubious phrase with this formulation.
[ 10 ] I have already said above that Sauerwein's article disproves the fairy tale of the Crown Council on July 5. If it is said that I have concealed the fact that Colonel General von Moltke could not have known anything about the Crown Council because it never took place, then this seems to me to be a quibble, for if Mr. von Moltke knew nothing about such a thing, then nothing of any significance could have taken place.
[ 11 ] The fact that today Holland cannot be drawn into a new French propaganda campaign regarding the question of guilt by reasonable people, because it has been said that Mr. von Moltke wanted to refrain from marching through Holland, seems to me, as I have said above, quite clear. Mr. von Moltke's words prove that long before 1914 such a march through Holland was refrained from, despite the fact that Mr. von Schlieffen, whom Mr. von Moltke also regarded as a great military authority, believed that such a march might be necessary. But it is not entirely irrelevant that this march through, which Mr. von Haeften also admits that von Schlieffen had included in the "circle of his considerations", should only have been carried out on the condition that "Holland would voluntarily join the German side in the event of the outbreak of war". So says Mr. von Haeften. No one will dispute this. And if, as must certainly be admitted from the military point of view, this is a relief for Germany, it may also be asserted that, on further examination of this matter, the mention of von Schlieffen's intentions with regard to Holland should also make the march through Belgium appear in a different light than the one in which it has hitherto been seen alone. For this premise also applies to Belgium within certain limits. Mr. von Moltke reckoned that although Belgium would not side with the Germans, it would be friendly enough not to put up any resistance in arms to the march through. It is therefore not at all certain that Germany would have marched through Belgium in any case if things had not simply been rushed in the decisive days. How to judge these things politically is not for me to discuss here, although I know that the Belgian guarantee of neutrality was a very special one; for I did not speak about it with Dr. Sauerwein, but only about Mr. von Moltke's opinion.
[ 12 ] The shifts in dates mentioned by Mr. von Haeften, which can be found in Sauerwein's article, have been corrected in No. 15 of this weekly publication. What Mr. von Haeften adds in detail to what was said in the "Matin" article does not essentially contradict what was said there; it even supplements it and confirms it in essential points. Mr. von Haeften says: "Mr. Steiner's assertion that Colonel General von Moltke refused to countersign an order from the Kaiser delivered to him by a wing adjutant and sent the officer back is a free invention. Colonel-General von Moltke merely refused to sign a corresponding draft order from the head of the Operations Department (Lieutenant-Colonel Tappen)." There is nothing to correct other than the "wing adjutant", because I did not claim that the "draft order" was written by the Kaiser himself. And I readily admit that an officer knows more about wing adjutants than Sauerwein. Von Moltke's own words about it are: "As the dispatch to the 16th Division was presented to me, repeating the order given by telephone, I struck the pen on the table and declared I would not sign it." Mr. von Haeften emphasizes: "General von Moltke was a soldier unwaveringly loyal to his Emperor, despite some conflicting opinions, especially during the last years of his life." I fully agree with this. One can say even more. Von Moltke was one of the very best servants of his Emperor. And as a man who was always fully aware of his responsibilities, he never held back from giving the Emperor the advice he considered most suitable for him, even if it ran counter to the Emperor's opinions. But that is precisely what makes von Moltke's statements, which are reproduced completely correctly, so valuable. It was not an opponent of the Emperor who made them, but one of his most loyal servants who wrested them out of the matter. Anyone who believes that von Moltke spoke out of resentment or bitterness misjudges the colonel general. Everything that he experienced from the end of July 1914 onwards has cast him down; but he was never in a state that can be described as mentally ill in the sense that those who now believe they have to excuse his statements with the state of his soul do.
[ 13 ] What he said is, in my firm conviction, suitable for placing all previous discussion about the "question of guilt" on a basis on which the present rulers of the victorious states do not want it, but for which more and more reasonable people all over the world will be accessible. I cannot understand why Mr. von Haeften, whom I have come to know as a reasonable man, is not open to such a consideration today. One should realize that the German people will have the most to "pay for" if saying things like those of Moltke's opinion is repeatedly portrayed as an offence. The German people have no need to hold back with the truth. Those who believed they had to do so have done them the most harm so far. The truth will not incriminate the German people, it will exonerate them. We should have realized this in the days leading up to the Versailles peace treaty. We should realize it again today. Those who want to defend the German politicians of 1914 should be reminded of what von Tirpitz wrote in his "Memoirs". For example, on page 242: "The impression of the headlessness of our political leadership became more and more disturbing. The march through Belgium did not seem to have been an established fact beforehand (he means on the night of August 1 to 2). Since the Russian mobilization, the Chancellor gave the impression of a drowning man... . While the lawyers of the Foreign Office were engrossed in the doctoral question of whether we were already at war with Russia or not yet, it turned out in passing that they had forgotten to ask Austria whether it wanted to fight with us against Russia." On page 245, the same von Tirpitz says: "After the Chancellor left the meeting, Moltke complained to the Kaiser about the 'deplorable' state of the political leadership, which had no preparations for the situation and now that the avalanche was rolling, was still thinking of nothing but legal notes." And men about whom someone (von Tirpitz) who has worked with them has to speak in this way should not be criticized by the German people, but "thanked". They should be satisfied with the opinion that they "thought and acted logically and dutifully". On page 248, von Tirpitz says: "The moral blamelessness of our government at that time can only be made clear by an open presentation of its diplomatic inadequacy.....
[ 14 ] Von Moltke's views and statements are certainly in the direction in which these matters must be clarified. If they are discussed correctly, they cannot fail to have an effect. However, if they are discussed in the way they have been so far, this will of course result in something that the German "people will have to pay for", as unfortunately they already have to "pay for" enough.
[ 15 ] Whether one has a right to speak of "political dilettantes" in the way Mr. von Haeften does, with the background provided by von Tirpitz's words on page 248, among others, must be seriously questioned. It says that the politicians of 1914 "were lacking" ... "through lack of straight and clear thinking."
[ 16 ] I would prefer to remain silent for the time being about personal slurs such as those contained in sentences about my "addiction to playing a political role". I would not have expected this judgment from Mr. von Haeften, whom I once got to know as a noble-minded man. It seems as if you can't just have prejudices from the outset, but as if, even if you didn't have them once, you can still acquire them afterwards.
[ 17 ] What I have said I believed I could not conceal, because unfortunately I see that personalities who can certainly have the subjective opinion that they do not want to do the "business of their enemies" do so precisely because they do not want to give the truth free rein. In my opinion, I have to recognize again today how some people are sinning in this direction.