Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29
Automated Translation
Magazin für Literatur 1898, Volume 67, 41
94. “The Legacy”
Play in three acts by Arthur Schnitzler
Performance at the Deutsches Theater, Berlin
So far I have always had to compare Schnitzler's dramatic achievements with women who, because of the gracefulness of their outward appearance and the tastefulness of their toilette, do not allow us to wonder whether their soul is also important or not. "The Legacy", however, challenges this question. Schnitzler's talent and his style do not seem to be sufficient for a problem as important as the one dealt with here. His brisk dramatic power of representation is obviously only in its element when it concerns the small circles drawn by life. "The Legacy", which Hugo Losatti leaves to his family after being mortally wounded by a fall from a horse, revolutionizes the souls of a number of people. Schnitzler is not enough of a psychologist to portray this revolution of the soul convincingly and profoundly. We don't see inside the characters, so we don't really want to understand what they say and do. The legacy is Hugo Losatti's lover and his child. He expresses his last wish that his family should take the two beings, whom he loved more than anything else, into their home. The father, a half-mad professor of economics, knows nothing about such a wish. But as he is a good fellow and an incredible weakling, it is not difficult for him to accept the "legacy" after all. The mother is immediately inclined to do so when the son tells her his secret. However, we gain no idea of her character traits. We are therefore indifferent as to how she behaves. We do get to know the sister Franziska better, and it therefore makes some impression that she wholeheartedly says "yes" to her brother's wish and that she even loves her beloved deeply. But it seems to me that here we have before us a character of the staid Birch-Pfeiffer in a modern dress. Such characters can also be found in the realm of the "Gartenlaube". - Of course, the theatrical counterpart of this girl must not be missing. His name is Dr. Ferdinand Schmidt, he came from a poor background, was Hugo's tutor and, after becoming a doctor, is on friendly terms with Losattis. The contrast would not be expressed strongly enough if the unprejudiced, tender-hearted Franziska and the prejudiced, cheerful Schmidt did not fall in love with each other. So they do. Schmidt finds it unappealing from the outset to see how the Losattis "sully" their reputation by taking the "mistress" and the son's offspring into their home.
The plot is clear soon after the curtain rises. People like the Losattis have consciences, so they fulfill a child's wish. The illegitimately conceived boy is immediately introduced to us as a sick child. So he will soon die. So there will soon be an opportunity to chase the unwelcome mother out of the house. So the play will end with her committing suicide. The Losattis are faint-hearted people, so they need someone to talk them out of keeping the "legacy". That's what Dr. Schmidt is there for. His behavior opens Franziska's eyes and she rejects the crude man. While all this is going on according to plan, Emma Winter, the widow of Mrs. Losatti's brother, walks through the door every now and then and talks "beyond good and evil", like a real female trance. She even wants to take the unhappy lover of the deceased into the house, but is finally dissuaded by her daughter - so that the suicide is possible.
These are weighty concessions that Schnitzler makes today to the external art of scenery. The same Schnitzler in whom we have never noticed a lack of depth, as long as he only abandoned himself to his amiable nature.
This time the Deutsches Theater has shown what it can do, after making it clear to us in "Cyrano" what it cannot do. With the exception of Louise Dumont, who was not really up to the thankless female role of the star, the other actors gave perfect performances. Reicher, Rittner, Sauer and Winterstein deserve special mention.
«DAS VERMÄCHTNIS»
Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler
Aufführung im Deutschen Theater, Berlin
Schnitzlers dramatische Leistungen mußte ich bisher immer mit Frauen vergleichen, welche wegen der Anmut ihres äußeren Wesens und des Geschmackvollen ihrer Toilette uns gar nicht zu der Frage kommen lassen, ob ihre Seele auch bedeutend ist oder nicht. «Das Vermächtnis» fordert aber diese Frage allerdings heraus. Schnitzlers Begabung und auch sein Stil scheinen für ein so bedeutendes Problem, wie das hier behandelte es ist, nicht auszureichen. Seine flotte dramatische Darstellungskraft ist offenbar nur dann in ihrem Elemente, wenn es sich um die kleinen Kreise handelt, die von dem Leben gezogen werden. «Das Vermächtnis», das Hugo Losatti seiner Familie hinterläßt, nachdem er durch einen Sturz vom Pferde tödlich verwundet worden ist, revolutioniert die Seelen einer Reihe von Menschen. Schnitzler ist nicht Psychologe genug, um diese Seelenrevolution überzeugend und tiefgründig darzustellen. Wir sehen den Personen nicht ins Innere, deshalb will uns nicht recht in den Sinn gehen, was sie reden und tun. Das Vermächtnis ist Hugo Losattis Geliebte und sein Kind. Er spricht als seinen letzten Wunsch aus, daß die Seinen die beiden Wesen, die er mehr als alles andere geliebt hat, in ihr Haus aufnehmen. Der Vater, ein halb vertrottelter Professor der Nationalökonomie, weiß mit einem solchen Wunsche nichts anzufangen. Da er aber ein guter Kerl und ein unglaublicher Schwächling ist, wird es ihm nicht schwer, das «Vermächtnis» doch zu übernehmen. Die Mutter ist sofort geneigt, dies zu tun, als der Sohn ihr sein Geheimnis mitteilt. Von ihren Charaktereigenschaften erlangen wir aber keine Vorstellung. Deshalb ist es uns gleichgültig, wie sie sich verhält. Die Schwester Franziska lernen wir wohl genauer kennen, und es macht deshalb einigen Eindruck, daß sie von ganzem Herzen «ja» sagt zu dem Wunsche des Bruders und daß sie die Geliebte sogar innig liebt. Allein mir scheint doch, daß wir hier einen Charakter der biederen Birch-Pfeiffer in einem modernen Kleide vor uns haben. Auch im Reiche der «Gartenlaube» sind solche Charaktere zu finden. — Der theatralische Gegenpol dieses Mädchens darf natürlich nicht fehlen. Er heißt Dr. Ferdinand Schmidt, ist aus dürftigen Verhältnissen hervorgegangen, war Hauslehrer Hugos und verkehrt, nachdem er Arzt geworden ist, freundschaftlich bei Losattis. Der Gegensatz käme nicht stark genug zum Ausdrucke, wenn die vorurteilslose, zartfühlende Franziska und der vorurteilsvolle, gemütsrohe Schmidt sich nicht ineinander verliebten. Daher tun sie es. Schmidt ist es von vorneherein unsympathisch, zu sehen, wie die Losattis ihr Ansehen damit «besudeln», daß sie die «Maitresse» und den Sprößling des Sohnes ins Haus nehmen.
Die Handlung ist bald klar, nachdem der Vorhang aufgegangen ist. Leute wie die Losattis haben Gewissen, also erfüllen sie den Wunsch eines Kindes. Der unehelich gezeugte Knabe wird uns sogleich als krankes Kind vorgestellt. Also wird er bald sterben. Also wird auch bald Gelegenheit sein, die unwillkommene Mutter aus dem Hause zu jagen. Also wird das Stück damit schließen, daß diese einen Selbstmord begeht. Die Losattis sind schwachmütige Leute, also brauchen sie jemand, der ihnen zuredet, das «Vermächtnis» nicht zu halten. Dazu ist Dr. Schmidt da. Dieses sein Verhalten öffnet Franziska die Augen, und sie weist den rohen Menschen von sich. Während sich das alles programmmäßig abspielt, läuft alle Augenblicke Emma Winter, die Witwe von Frau Losattis Bruder, zur Tür herein und redet «jenseits von Gut und Böse», echt wie ein weiblicher Trast. Sie will die unglückliche Geliebte des Verstorbenen sogar ins Haus nehmen, wird aber — damit der Selbstmord möglich ist — doch zuletzt von ihrer Tochter davon abgebracht.
Es sind gewichtige Konzessionen, die heute Schnitzler der äußerlichen Kulissenkunst macht. Derselbe Schnitzler, an dem wir den Mangel an Tiefe niemals bemerkt haben, solange er sich nur seiner liebenswürdigen Natur überließ.
Das Deutsche Thater hat diesmal gezeigt, was es kann, nachdem es bei «Cyrano» uns klargelegt hat, was es nicht kann. Mit Ausnahme von Louise Dumont, welche der allerdings undankbaren weiblichen Trastrolle wenig gewachsen war, boten die Mitspieler vollendete Leistungen. Reicher, Rittner, Sauer und Winterstein verdienen aber noch besonders genannt zu werden.