Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29
Automated Translation
Das Magazin für Litertur 1899, Volume 68, 6
152. Lecture Evening: Anna Ritter, Clara Viebig, Frieda von Bülow
On February 2, 1899, the "Berliner Presse" association organized a ladies' evening. Three contemporary artists spoke: Anna Ritter, Clara Viebig and Frieda von Bülow. Anna Ritter became "famous" in a surprisingly short time. So quickly, as is almost only the case with fashion poets, who quickly disappear again. But she certainly does not deserve this fate. For she is a real lyricist. A poet from whom the enduring nature of humanity speaks. You can imagine Anna Ritter in pretty much any time. Because she sings about what is never old and never new, but always present. One is reminded of Mörike, but also of Walther von der Vogelweide, both translated into the feminine. She sings of the feeling of womanhood, which is eternal. When I read her poems, a world of emotion opens up in me. Her recitation almost made me sweat blood. Must there be such display? Must feelings, which are sacred, be profaned by the false sentimentality of a recital in front of an audience of a hundred? Clara Viebig was in a better position. Her "Pharisees" - I would like to reveal that I know it completely - is an effective drama that "cries out for the stage". It could be used to prove that we have talent for drama. Directors should read drama. Frieda von Bülow read a novella "The Child". I can't say anything about it. But that's not my fault. While the reading was going on, the audience kept running away. Let the devil take me: but I can't stand such bad manners. A decent person doesn't do that; and if a critic doesn't have to be constantly annoyed by the rabble-rousing running away, then he won't need to admit his incompetence either.
VORTRAGSABEND: ANNA RITTER, CLARA VIEBIG, FRIEDA VON BÜLOW
Am 2.Februar 1899 veranstaltete der Verein «Berliner Presse» einen Damenabend. Drei Künstlerinnen der Gegenwart kamen zum Worte: Anna Ritter, Clara Viebig und Frieda von Bülow. Anna Ritter ist in überraschend kurzer Zeit «berühmt» geworden. So schnell, wie es fast nur bei Modedichtern der Fall ist, die schnell auch wieder verschwinden. Sie verdient aber dieses Schicksal gewiß nicht. Denn sie ist ein wirklicher Lyriker. Ein Lyriker, aus dem das Bleibende des Menschentums spricht. Man kann sich Anna Ritter so ziemlich in jeder Zeit denken. Denn sie besingt, was nie alt und nie neu, aber immer gegenwärtig ist. Man wird an Mörike erinnert, aber auch an Walther von der Vogelweide, beide ins Weibliche umgesetzt. Sie singt von dem Weibempfinden, das ewig ist. Wenn ich ihre Gedichte lese, geht in mir eine Welt der Empfindung auf. Bei ihrem Vortrage habe ich fast Blut geschwitzt. Muß denn solche Schaustellung sein? Müssen denn die Empfindungen, die heilig sind, profaniert werden durch falsche Sentimentalität des Vortrags vor hundert Zuhörern? In einer besseren Lage war Clara Viebig. Ihre «Pharisäer» — ich möchte verraten, daß ich sie ganz kenne -— sind ein wirksames Drama, das «nach Bühne schreit». Man könnte damit den Beweis liefern, daß wir Talente für das Drama haben. Die Direktoren sollten Dramen lesen. Frieda von Bülow hat eine Novelle «Das Kind» vorgelesen. Ich vermag darüber nichts zu sagen. Das aber ist nicht meine Schuld. Während gelesen wurde, liefen fortwährend die Zuhörer davon. Es soll mich doch der Teufel holen: aber so schlechte Manieren vertrag ich nicht. Ein anständiger Mensch tut so etwas nicht; und wenn sich ein Kritiker nicht fortwährend zu ärgern hat über das pöbelhafte Davonrennen, dann wird er es auch nicht nötig haben, seine Inkompetenz einzugestehen.