The History and Content of the
Esoteric School 1904–1914
Volume Two
GA 265
1906, Munich
Translated by Steiner Online Library
Preparatory Lesson I
Notes taken by participants during two lectures by Rudolf Steiner.1No location or date given, presumably Munich 1906. Cf. lecture in Berlin, October 8, 1906.
Theosophical knowledge has only been accessible to all people for a few decades, but as long as people have been thinking and striving for the highest, asking questions about the primeval world and the purpose of life, there has been a theosophy. But theosophy has not always been presented to the world as it has been for about 30 years. In the early days, it was presented in intimate small circles. There were always small circles of initiates, occult or secret fraternities, whose members knew much more than could be communicated publicly. The nations, humanity as a whole, were to receive only the fruits of the initiates' knowledge. The world did not recognize them as such, it only recognized the effects. One only knew that such and such a man was a carpenter, another a locksmith, and yet another perhaps a high government official. Such people can perform deeds in the world that the outside world is unaware of. A word from these initiates had much more inner significance than the world could guess.
What the world calls historical figures were not the greatest of all. These lived secluded. Such an occult initiate had a fleeting acquaintance with Rousseau in the 18th century, for example. The words that the latter spoke were not taken as anything special by the initiate, but they had an occult effect. When Rousseau had a sudden insight as a result, he spread it in books; he himself was not initiated, but the initiate stood behind him.
Another example: how did Jacob Boehme, the poor shoemaker, come by such amazing knowledge? In his biography, people overlook many important things. There is the following little story. Little Jacob was an apprentice in the shop of his master, his teacher, who was absent at the moment. He had been forbidden to sell anything, he was only supposed to mind the shop. A fascinating personality, who had a powerful effect on the little boy, entered and spoke only a few words. After she left, Jacob heard his name called three times in front of the shop: “Jacob, you may be small today, but you will grow up to be great. Remember that.” This remained indelibly in Böhme's memory.
Now and then someone spoke to a statesman; the words, which seemed insignificant, had a magical power. It depends on the right words. These are the means by which the initiated have worked. They had to give the thought, the impulse. For example: someone had received a letter containing a petition. This person was specially designated to carry out something; he had to receive the impulse to do so. If he knew how to read, he could find something remarkable in the letter, which apparently contained nothing special. Four words had to be left out, the deeper meaning was hidden in the fifth. These were the words that could work.
Today we have to find other ways. The moment this was revealed, the words lost their value. These were small, elementary things of the mysteries.
One German scholar who was initiated was Tritheim of Sponheim, the teacher of Agrippa of Nettesheim. In his works, one finds theosophy when certain words are left out at the beginning and end of a sentence. This was necessary because only individuals could be initiated with sufficient preparation. Knowledge should not be curiosity, but should be put into action.
Theosophy is there to proceed practically in the world, to penetrate into the nature of the state and of society. The one to be initiated had to undergo hard tests to see if he was worthy of initiation. Only those who passed the tests were initiated in stages. This method has been abandoned in more recent times. The elementary teachings are now taught publicly. These are only the beginning of the deep wisdom. More and more of the divine wisdom will be given to the world, to the larger public. Theosophical wisdom is ancient knowledge; only the way of preparation is new.
What we will hear is the common knowledge of all those who have formed an image of what is going on in the spiritual world not through speculation and hypotheses but through facts.
All knowledge comes from the spirit. In the past, religion was the most effective means. For thousands of years, religions have been the source of wisdom and knowledge. Now, many people want to know. We want to ascend through knowledge, not through faith. Today there is a conflict between science and religion, knowledge and faith. The real reason why Theosophy became necessary is the art of printing. With the popularization of sensual knowledge, that conflict arose. This is where the initiates stepped in and bridged the gap.
Vorbereitungsstunde
Teilnehmernotizen von zwei Ausführungen Rudolf Steiners
I
Ohne Orts- und Datumangabe, vermutlich München 1906 1Vgl. hierzu Vortrag Berlin, 8. Oktober 1906.
Theosophisches Wissen ist erst seit ein paar Jahrzehnten allen Menschen zugänglich, aber solange die Menschen denken und nach dem Höchsten streben, auf die Urwelt, das Ziel des Lebens bezügliche Fragen gestellt haben, so lange gibt es eine Theosophie. Aber nicht immer ist Theosophie so wie seit etwa 30 Jahren vor die Welt gebracht worden. Früher wurde sie in intimen kleinen Kreisen vorgebracht. Es gab immer kleine Kreise von Eingeweihten, okkulte oder geheime Brüderschaften, deren Mitglieder viel mehr wußten, als öffentlich mitgeteilt werden konnte. Die Völker, die Menschheit im ganzen, sollten nur die Früchte des Wissens der Eingeweihten erhalten. Die Welt erkannte sie nicht als solche, sie erkannte nur die Wirkungen. Man wußte nur, der und der ist ein Tischler, jener ein Schlosser, ein anderer vielleicht ein höherer Staatsbeamter. Solche Leute können in der Welt Taten verrichten von solcher Art, wovon die Außenwelt nichts merkt. Ein Wort von diesen Eingeweihten hatte innerlich viel mehr Bedeutung als die Welt ahnen konnte.
Was die Welt die geschichtlichen Größen nennt, waren nicht die allergrößten. Diese lebten zurückgezogen. Ein solcher okkulter Eingeweihter hatte im 18. Jahrhundert eine flüchtige Bekanntschaft zum Beispiel mit Rousseau. Die Worte, die jener sprach, faßte dieser als nichts Besonderes auf, aber sie wirkten okkult. Wenn Rousseau ein Licht dadurch aufging, so verbreitete er es in Büchern; er selbst war nicht eingeweiht, sondern der Eingeweihte stand hinter ihm.
Ein anderes Beispiel: Wie kam Jakob Böhme, der arme Schuster, zu so erstaunlichem Wissen? In seiner Biographie lesen die Leute über manches Wichtige hinweg. Es steht darin folgende kleine Geschichte. Der kleine Jakob stand als Lehrjunge in dem Laden seines Meisters, seines Lehrherrn, der gerade abwesend war. Es war ihm verboten worden, etwas zu verkaufen, er sollte nur den Laden hüten. Eine faszinierende Persönlichkeit, die mächtig auf den Kleinen wirkte, trat herein und sprach nur wenige Worte. Nach ihrem Weggang hörte Jakob vor dem Laden dreimal seinen Namen rufen: Jakob, du bist zwar heute klein, du wirst einst groß werden. Merke dir das. Dies blieb unauslöschlich in Böhmes Erinnerung.
Hie und da hat jemand mit einem Staatsmann gesprochen; die Worte, die anscheinend unbedeutend waren, übten Zaubergewalt. Es kommt auf die richtigen Worte an. Das sind Mittel, wodurch die Eingeweihten gewirkt haben. Sie mußten den Gedanken, den Impuls geben. Zum Beispiel: Jemand hatte einen Brief bekommen, der ein Bittgesuch enthielt. Diese Person war besonders dazu bestimmt etwas auszuführen; sie mußte den Impuls dazu bekommen. Verstand sie zu lesen, so konnte sie Merkwürdiges in dem Briefe finden, in dem anscheinend nichts Besonderes stand. Man mußte vier Worte auslassen, je im fünften steckte der tiefere Sinn. Dies waren die Worte, die wirken konnten.
Heute muß man andere Wege finden. Im Augenblick, wo das verraten worden wäre, verloren die Worte ihren Wert. Dies waren kleine elementare Dinge der Geheimnisse.
Ein deutscher Gelehrter, der eingeweiht war, war Tritheim von Sponheim, der Lehrer von Agrippa von Nettesheim. In seinen Werken findet man Theosophie, wenn man gewisse Worte vorn und hinten im Satz ausläßt. Das war notwendig, weil nur Einzelne bei ganz genügender Vorbereitung eingeweiht werden durften. Das Wissen soll nicht Wißbegierde sein, sondern in Tat umgesetzt werden.
Theosophie ist dazu da, praktisch in der Welt vorzugehen, in das Staats- und Gesellschaftswesen einzudringen. Der Einzuweihende mußte sich harten Proben unterwerfen, ob er würdig war, eingeweiht zu werden. Nur wer die Proben bestand, wurde stufenweise eingeweiht. Von dieser Methode ist in neuerer Zeit abgegangen worden. Man lehrt die Elementarlehren jetzt öffentlich. Diese sind nur der Anfang der tiefen Weisheit. Immer mehr wird der Welt, dem größeren Publikum, von der göttlichen Weisheit gegeben werden. Theosophische Weisheit ist uraltes Wissen, die Art der Vorbereitung allein ist neu.
Was wir hören werden, ist das gemeinsame Wissensgut aller, die nicht durch Spekulationen, Hypothesen, sondern durch Tatsachen sich ein Bild von dem machten, was in der geistigen Welt vorgeht.
Vom Geiste stammt alles Wissen. Früher war die Religion das wirksamste Mittel. Die Religionen spendeten seit tausenden von Jahren die Weisheit und das Wissen. Jetzt wollen zahlreiche Menschen wissen. Durch Wissen, nicht durch Glauben, wollen wir hinansteigen. Heute ist ein Zwiespalt zwischen Wissenschaft und Religion, Wissen und Glauben. Die eigentliche Ursache, warum Theosophie notwendig wurde, ist die Buchdruckerkunst. Mit dem Populärwerden des sinnlichen Wissens kam jener Zwiespalt. Hier setzten die Eingeweihten ein und überbrückten die Kluft.