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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus
GA 24

Die Dreigliederung während des Krieges und nach demselben

[ 1 ] Im Jahre 1917 sprach ich in engeren Kreisen mit einer Anzahl von Persönlichkeiten über die Dreigliederung des sozialen Organismus. Meine Absicht dabei war, politisch Denkende dafür zu gewinnen, der Politik Wilsons eine andere entgegenzusetzen. Wilsons Gedanken schienen mir kein Ausweg aus der Wirrnis, in der sich die Welt befand. Man konnte, indem man diese Gedanken als Schlagworte weithin hörbar machte, Armeen in Bewegung setzen, man konnte Kriegsschiffe über das Weltmeer senden, aber sie enthielten nichts von dem, was in der Menschheit der Gegenwart unbewußt nach einem Herauskommen aus den alten Verhältnissen rang, und was, weil es sich vernünftig nicht äußern konnte, sich in der Unvernunft des Weltkriegs entladen hatte.

[ 2 ] Wilsons vierzehn Punkte waren abstrakt und wirklichkeitsfremd. Man kann solchen Ideen eine Scheinwirklichkeit geben, weil Menschen auch das ausführen können, was in der Ausführung sich als bestandsunmöglich erweist. Aus diesen vierzehn Punkten konnte nie ein wahrer Friede werden. Denn die zivilisierte Menschheit ist an einem Punkte ihrer Entwickelung angekommen, in dem, was als geistiges Leben, als Rechtsverhältnisse im weitesten Sinn und als wirtschaftliche Daseinsbedingungen aus den Bereichen der überkommenen Staaten heraus sich ergeben hatte, nicht mehr weiterzubringen war im Rahmen dieser Staaten. Bis in die Gegenwart bedurfte es der einheitlichen Staatsgebilde, um durch sie im Rechtszusammenleben der Menschen das Geistesleben zu pflegen und die neueren Wirtschaftsformen zu gebären. Aber sowohl das Geistesleben, wie auch die Weltwirtschaft sind zu Gestaltungen gelangt, die durch diese Staatsgebilde nicht weiterzubringen sind. Unbefangen erfaßt war der Weltkrieg doch nichts anderes als der Ausdruck dafür, daß die Staaten aufeinanderprallten, weil diejenigen Kräfte nach einem unvernünftigen Ausweg suchten, deren wahre Natur darin bestand, für Geistesleben und Wirtschaft neue Formen zu suchen.

[ 3 ] Man konnte sich diese wahre Natur nicht zum Bewußtsein bringen, und so ließ man das Verheerende hereinbrechen. Wilsons Politik war nur eine abstrakte Zusammenfassung der alten Staatsgedanken. Die Menschen sollten sich in einer gewissen Art Staatsgebilde schaffen. Dadurch sollten die Kriegsursachen aus der Welt geschafft werden. Aber diese Art war eben die, welche die Kriegsursachen hervorgebracht hatte. Meine Absicht im Jahre 1917 war, den vierzehn Punkten Wilsons dasjenige entgegenzustellen, was an die Stelle dieser Art jene andere setzt, die den Kräften des Geistes- und Wirtschaftslebens die Selbstverwaltung gibt, deren Nicht-Vorhandensein in die Verwirrung getrieben hat. Ohne daß diese Art zur Seele der auswärtigen Politik der Völker wird, kann kein wahrer Ausweg aus diesen Wirren gefunden werden.

[ 4 ] Der Weltkrieg hat zu Versailles, zu Spa geführt. Das unbewußte Streben der Menschheit hat aber nicht den vernünftigen Weg gefunden, dem Geistesleben und der Weltwirtschaft die Formen zu schaffen, die sie notwendig brauchen. Und deshalb ist die Fortsetzung des Weltkriegs der verheerende Bolschewismus in Rußland und dasjenige, was diesem ähnlich durch dic Menschheit geht, um weiter zu zerstören, was der Krieg noch übrig gelassen hat.

[ 5 ] Wie man 1917 auf die Dreigliederung des sozialen Organismus weisen mußte, um den ohnmächtigen vierzehn Punkten Wilsons etwas entgegenzustellen, was zu einem wirklichen Friedensausweg führen konnte, so muß man jetzt auf dieselbe Dreigliederung zeigen, um dem Gespenst zu begegnen, das der Zivilisation droht. Wie ohnmächtig die «Vierzehn Punkte» waren, das hat die Hilflosigkeit ihres Trägers in Versailles erwiesen. John Maynard Keynes, der bei den Versailler Verhandlungen zugegen war, hat das in seinem Buche über die wirtschaftlichen Folgen des Krieges deutlich genug gesagt.

[ 6 ] Aber so ohnmächtig Wilson in Versailles sich zeigte, so ohnmächtig werden sich alle diejenigen zeigen, welche den internationalen sozialen Erschütterungen mit den alten Vorstellungsweisen entgegentreten. Man ist froh, wenn sich irgendwo etwas offenbart, auf Grund dessen man sagen kann: Der Bolschewismus ist im Abflauen; er wird demnächst seinen Zusammenbruch erleiden. Hat man denn keine Vorstellung davon, wie solche Dinge nur scheinbar untergehen, um in anderen Formen wieder aufzuleben? Die sich an solche Ausfluchtsphrasen halten, sollten sich erinnern, wie oft «Staatsmänner» vor 1914 davon gesprochen haben, daß die politische Lage sich «entspannt» habe.

[ 7 ] Die Bewegung für Dreigliederung des sozialen Organismus wird zu dem führen, wozu sie führen muß, wenn eine genügend große Anzahl von Menschen sich in ihrem Urteile frei machen von denjenigen, die nicht hinsehen wollen auf dasjenige, was der Menschheit nottut, sondern die nur in diese oder jene Weltenecke blicken, ob sich da oder dort etwas «entspannt», damit sie nicht nötig haben, auf Ideen zu sinnen, die nicht «entspannen», was nachher wild aufeinanderprallt, sondern die entwickeln, was nach dem Entwickelungsgange der Menschheit entwickelt sein will.

The Threefold Structure During and After the War

[ 1 ] In 1917, I spoke in close circles with a number of personalities about the threefolding of the social organism. My intention was to persuade political thinkers to oppose Wilson's policy with another. Wilson's ideas seemed to me to be no way out of the confusion in which the world found itself. By making these thoughts widely audible as slogans, one could set armies in motion, one could send warships across the world's oceans, but they contained nothing of what was unconsciously struggling in contemporary humanity to get out of the old conditions, and what, because it could not express itself rationally, had discharged itself in the irrationality of the world war.

[ 2 ] Wilson's fourteen points were abstract and unrealistic. One can give such ideas an illusory reality, because people can also carry out what proves to be impossible in execution. These fourteen points could never lead to true peace. For civilized mankind has reached a point in its development where what had emerged from the spheres of the traditional states as spiritual life, as legal relations in the broadest sense and as economic conditions of existence could no longer be carried forward within the framework of these states. Until the present day, the unified state formations were needed in order to cultivate the spiritual life and give birth to the newer economic forms through the legal coexistence of people. But both intellectual life and the world economy have reached forms that cannot be advanced by these state formations. Without prejudice, the world war was nothing other than the expression of the fact that the states clashed because those forces were looking for an unreasonable way out whose true nature was to seek new forms for intellectual life and the economy.

[ 3 ] They could not bring themselves to realize this true nature, and so they let the disastrous happen. Wilson's policy was only an abstract summary of the old ideas of the state. The people were to form themselves into a certain kind of state. In this way the causes of war were to be eliminated. But this was the kind that had produced the causes of war. My intention in 1917 was to oppose Wilson's fourteen points with that which replaces this kind with another which gives self-government to the forces of intellectual and economic life, the non-existence of which has led to confusion. Without this species becoming the soul of the foreign policy of nations, no true way out of this confusion can be found.

[ 4 ] The world war has led to Versailles, to Spa. But the unconscious striving of mankind has not found the sensible way to create the necessary forms for intellectual life and the world economy. And that is why the continuation of the world war is the devastating Bolshevism in Russia and that which, like it, goes through humanity in order to further destroy what the war has left behind.

[ 5 ] Just as in 1917 one had to point to the threefold structure of the social organism in order to counter Wilson's impotent fourteen points with something that could lead to a real way out for peace, so now one must point to the same threefold structure in order to counter the spectre that threatens civilization. How impotent the "Fourteen Points" were was demonstrated by the helplessness of their promoter at Versailles. John Maynard Keynes, who was present at the Versailles negotiations, stated this clearly enough in his book on the economic consequences of the war.

[ 6 ] But as powerless as Wilson proved to be at Versailles, all those who confront the international social upheavals with the old ways of thinking will prove to be just as powerless. One is glad when something is revealed somewhere on the basis of which one can say: Bolshevism is on the wane; it will soon suffer its collapse. Have we no idea how such things only seem to go down in order to revive in other forms? Those who cling to such evasive phrases should remember how often "statesmen" before 1914 spoke of the political situation having "eased".

[ 7 ] The movement for the threefolding of the social organism will lead to what it must lead to if a sufficiently large number of people free themselves in their judgment from those who do not want to look at what is necessary for humanity, but who only look into this or that corner of the world to see whether something is "relaxing" here or there, so that they do not need to ponder ideas that do not "relax" what will later collide wildly, but that develop what wants to be developed according to the course of development of humanity.