Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29
Automated Translation
Magazin für Literatur 1897, Volume 66, 47
63. “In Treatment”
A comedy in three acts by Max Dreyer
Performance at the Berliner Theater, Berlin
The main character in this comedy is a fashionista. She doesn't go in for hats with stuffed birds. That would be too old-fashioned for her. A real modern headgear for a woman is the doctor's hat, which she wears with true feminine coquetry. With the dignity that this hat gives her, she has the power to say all sorts of clever things about human prejudices to the respectable middle-class women of a small town on the Baltic Sea, who have not yet caught up with the latest fashions, at a coffee party to which she invites them. She also has the power to bid her bridegroom farewell, because, although he does not care whether his wife wears a doctor's hat or a hat with stuffed birds, he will not allow her, like a midwife, to go into houses and treat people. But she certainly wants to free the good country folk from all kinds of ills. They do not put up with this. They treat the Fräulein Doktor as an immoral person. The landlady even wants to chase her out of the house. A young gynecologist finds the right way out. He has no practice because the bourgeois provincials don't want an unmarried gynecologist; she has no practice because she lacks male protection. The simplest thing would be for the two of them to marry. And they do. But only as a pretense. For some mysterious reason, any sensual communion between the two is ruled out for the time being. They each have a bedroom to themselves. It is highly platonic. Only an old uncle, who comes on stage at every possible and impossible opportunity, talks about the future children, and the Fräulein Doktor's old aunts and an elderly bride make all kinds of mysterious allusions to sex.
But everything turns out well. Because the old aunts and spinsters believe the two are really married, they run to them and let them treat them. Because the young doctor knows, despite the platonic behavior of his married half, that things must take their natural course after all, he lets his wife fidget. He "treats" her so that she may be converted from her Platonism to a healthy sensuality. He achieves his purpose: the natural female instincts prevail. Oh, my Laura Marholm! You are right after all. You have always said it: man is the content of woman.
I don't have much to say about this comedy. I was terribly bored. The psychological impossibility of the characters was horrible. But there are also people who laughed at the contrasts achieved at the expense of all healthy psychology. Perhaps they are right and I am wrong. What is the point of having acquired a little bit of psychological observation? It only spoils the taste for bad plays.
The acting was excellent. Mrs. Auguste Prasch-Grevenberg played the coquettish fashionista with the doctor's hat excellently, and Mr. Sommerstorff was brilliant in his difficult practice. He has learned all the tricks to free people from evil Platonism. Mr. Formes as the comic uncle was delightful. The smaller roles also found appropriate representatives.
«IN BEHANDLUNG»
Lustspiel in drei Aufzügen von Max Dreyer
Aufführung im Berliner Theater, Berlin
Die Hauptperson in diesem Lustspiel ist eine Modedame. Sie schwärmt nicht für Hüte mit ausgestopften Vögeln. Das wäre zu altmodisch für sie. Eine richtige moderne Kopfbedeckung für ein Weib ist der Doktorhut, den trägt sie mit echter weiblicher Koketterie. Mit der Würde, die ihr dieser Hut verleiht, ist ihr die Kraft verliehen, den ehrsamen Bürgersfrauen eines kleinen Städtchens an der Ostsee, die noch nicht bis zu der neuesten Mode vorgedrungen sind, bei einem Kaffeeklatsch, zu dem sie sie einlädt, allerlei gescheite Dinge über menschliche Vorurteile zu sagen. Es ist ihr ferner die Kraft verliehen, ihrem Bräutigam den Abschied zu geben, weil er, obgleich ihm nichts daran liegt, ob seine Frau einen Doktorhut oder einen Hut mit ausgestopften Vögeln trägt, doch nicht gestatten will, daß sie, wie eine Hebamme, in die Häuser geht und die Leute behandelt. Sie aber will durchaus die braven Landbewohner von allen möglichen Übeln befreien. Diese lassen sich das nicht gefallen. Sie behandeln das Fräulein Doktor als unmoralische Person. Die Hauswirtin will sie sogar aus dem Hause jagen. Ein junger Frauenarzt findet den richtigen Ausweg. Er hat keine Praxis, weil die biedern Provinzler keinen unverheirateten Frauenarzt wollen; sie hat keine Praxis, weil sie des männlichen Schutzes entbehrt. Das Einfachste wäre: die beiden heiraten sich. Sie tun es auch. Aber nur zum Schein. Aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen ist vorerst jede sinnliche Gemeinschaft zwischen den beiden ausgeschlossen. Sie haben jedes ein Schlafzimmer für sich. Es geht höchst platonisch zu. Nur ein alter Onkel, der bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit auf die Bühne kommt, redet von den künftigen Kindern, und die alten Tanten des Fräulein Doktor sowie eine ältliche Braut machen allerlei ungeheimnisvolle Anspielungen auf das Geschlechtsleben.
Es wird aber doch alles gut. Weil die alten Tanten und die alten Jungfern glauben, die beiden seien reell verheiratet, laufen sie zu ihnen und lassen sich von ihnen behandeln. Weil der junge Doktor trotz des platonischen Gebarens seiner Ehehälfte weiß, daß die Sache doch ihren natürlichen Weg nehmen muß, läßt er sein Weibchen zappeln. Er «behandelt» sie, auf daß sie von ihrem Platonismus zu einer gesunden Sinnlichkeit bekehrt werde. Er erreicht seinen Zweck: die natürlichen Weibinstinkte siegen. Oh, du meine Laura Marholm! Du hast zuletzt doch recht. Du hast es ja immer gesagt: der Mann ist des Weibes Inhalt.
Ich habe über dieses Lustspiel nicht viel zu sagen. Ich habe mich entsetzlich gelangweilt. Das psychologisch Unmögliche in den Personen war mir gräßlich. Es gibt aber auch Menschen, welche über die Kontraste gelacht haben, die auf Kosten aller gesunden Psychologie erreicht werden. Vielleicht haben diese recht und ich unrecht. Wozu hat man sich auch das bißchen psychologische Beobachtungsgabe erworben? Es verdirbt einem nur den Geschmack an schlechten Theaterstücken.
Gespielt wurde ganz vorzüglich. Frau Auguste Prasch-Grevenberg stellte die kokette Modedame mit dem Doktorhute in trefflicher Weise dar, und Herr Sommerstorff war brillant in der Ausübung seiner schweren Praxis. Er hat alle Kniffe kennengelernt, um Menschen von dem bösen Platonismus zu befreien. Herr Formes als komischer Onkel war entzückend. Auch die kleineren Rollen fanden entsprechende Vertreter.