Essays on Anthroposophy from the Journals “Lucifer” and “Lucifer-Gnosis” 1903-1908
GA 34
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53. Theosophy and Modern Life
At this point in the last essay, the importance of attitude from the point of view of Theosophy was pointed out. If we look at the present-day cultural life with an understanding of this point of view, it cannot be doubted that many things in it are opposed to the development of such an attitude. The rush and bustle to which modern industrialism has led people makes it difficult for them to reflect on themselves. For many of us, every moment of the day is a strict taskmaster that makes demands if a person is to get by in life. And these tasks are such that anyone who has fallen prey to them can devote little of their inner life to times of rest. In these times, they will be primarily concerned with their physical recovery. Many will lack all interest in purely spiritual considerations because everything that constantly surrounds them and that they deal with is far removed from such interest. And even social life will offer little opportunity for spiritual upliftment. People bring their purely material interests into this socializing. And even if their social conversations occasionally deal with higher things, the tone that emerges is such that it does not reach the depths of the human soul any more than the things of everyday life do. How rarely do we find the tone of seriousness and dignity in relation to the great questions of existence among our modern educated people. A certain indifference prevails. One speaks of the soul and the spirit as one speaks of a new machine in the field of technology. The sensational, which is the decisive factor in a modern newspaper, also prevails when speaking of the phenomena of the higher spiritual life.
It would not be fitting for the Theosophist to play the role of accuser in the face of such phenomena. His task is to understand, not to judge. And he who sees an eternal necessity in the course of things must also do so in regard to the phenomena of modern cultural life. But it must be pointed out that in view of the externalization which this culture imposes on man, he must work all the more intensively on his internalization. And it is precisely in this direction that the theosophist should promote culture. Without in the least detracting from the duties of modern life, he should at every opportunity encourage the cultivation of self-contemplation, of reflection on the deeper questions of existence. For there is no life that does not offer time for this. The attentive observer cannot fail to notice how much time is wasted even by the overworked. And it is this wasting of time that stands out as a significant feature of our socializing. There is so much that is said in this socializing that goes in at one ear and out at the other. Enormous mental energy is wasted in such purposeless conversation. For every thought in man is a power. The life of thought is the innermost core of the human being. As a person thinks, so he is. He who persistently devotes himself to noble thoughts impresses the character of the noble on his whole being. He who allows only superficial thoughts to pass through his soul also makes his life superficial. — If we heat a locomotive and then leave it standing, the heat flows out uselessly in all directions. It is important that we do not waste the heat, but convert it into propulsive power. As in nature, so it is in human life. When man thinks, he can convert his thought power into something meaningful or into something insubstantial. He who wastes his thoughts on superficial, vain things lives without purpose; he who converts them into something meaningful works on developing and ennobling his life.
When man recognizes this, he will let this knowledge permeate his being and make it the guiding principle of his life. He will soon be convinced that he does not have to withdraw from his duties for a moment in order to live according to such a guiding principle. It is not a matter of creating time to cultivate the higher life, but of giving the right content to the time one has. To the eye, to appearances, nothing need be noticeable in the life of one who has attained a theosophical attitude; the tone, the direction of his thinking and with it his whole nature will change. When one considers this, one recognizes how deeply 'theosophy can penetrate into everyday life without, as unfortunately so many believe, becoming a troublemaker of modern cultural life.
53. Theosophie und Modernes Leben
Im letzten Aufsatz ist an dieser Stelle auf die Bedeutung der Gesinnung vom Gesichtspunkte der Theosophie hingewiesen worden. Wer mit Verständnis dieses Gesichtspunktes das gegenwärtige Kulturleben betrachtet, für den kann es nicht zweifelhaft sein, daß manches in demselben der Ausbildung einer solchen Gesinnung widerstrebt. Das Hasten und Treiben, zu denen der moderne Industrialismus die Menschen geführt hat, läßt sie nur schwer zur Selbstbesinnung kommen. Für viele unter uns ist jeder Augenblick des Tages ein strenger Gebieter, der seine Anforderungen stellt, wenn der Mensch im Leben zurechtkommen will. Und diese Aufgaben sind derart, daß jeder, der ihnen verfallen ist, auch die Zeiten der Ruhe wenig seinem inneren Leben widmen kann. Er wird in diesen Zeiten vor allem darauf bedacht sein, seiner leiblichen Erholung zu leben. Bei vielen wird alles Interesse an rein geistigen Betrachtungen fehlen, weil alles, was sie fortwährend umgibt, womit sie zu tun haben, von solchem Interesse weit abliegt. Und auch das gesellige Leben wird wenig Anlaß zur geistigen Erhebung bieten. Die Menschen tragen ihre rein materiellen Interessen in diese Geselligkeit hinein. Und wenn ihre geselligen Unterhaltungen auch zuweilen mit höheren Dingen sich beschäftigen, so ist doch der Ton, der dabei zutage tritt, ein solcher, daß er des Menschen tiefstes Innere ebensowenig ergreift, wie die Dinge des Tageslebens. Wie selten findet man bei unseren modern Gebildeten den Ton des Ernstes und der Würde gegenüber den großen Fragen des Daseins. Eine gewisse Gleichgültigkeit herrscht da. Man spricht von der Seele und dem Geiste, wie man von einer neuen Maschine auf dem Gebiete der Technik spricht. Das Sensationelle, das in der modernen Zeitung den Ausschlag gibt, herrscht auch dann vor, wenn von den Erscheinungen des höheren Geisteslebens gesprochen wird.
Es würde nun dem Theosophen schlecht entsprechen, gegenüber solchen Erscheinungen den Ankläger zu machen. Zu verstehen, nicht zu richten hat er. Und er, welcher in dem Gang der Dinge eine ewige Notwendigkeit sieht, muß dies auch gegenüber den Erscheinungen des modernen Kulturlebens tun. Aber hingewiesen muß darauf werden, daß gegenüber der Veräußerlichung, welche diese Kultur dem Menschen auferlegt, er um so intensiver an seiner Verinnerlichung arbeiten muß. Und gerade der Theosoph sollte nach dieser Richtung Kulturförderer sein. Ohne im geringsten von den Aufgaben des modernen Lebens abzulenken, sollte er bei jeder Gelegenheit zur Pflege der Selbstbesinnung, zum Nachdenken über tiefere Fragen des Daseins anregen. Denn es gibt kein Leben, das nicht dazu Zeit böte. Dem aufmerksamen Beobachter kann nicht entgehen, wieviel Zeit selbst von dem Überbeschäftigten verschwendet wird. Diese Zeitverschwendung ist es ja gerade, die wie ein bedeutsames Kennzeichen in unserer Geselligkeit auffällt. Es wird innerhalb dieser Geselligkeit so viel zu hören sein, was, so zu sagen, zu einem Ohre hinein-, an dem anderen wieder herausgeht. In solchem zwecklosen Unterhalten wird nun ungeheure geistige Kraft verschwendet. Denn jeder Gedanke im Menschen ist eine Kraft. Das Gedankenleben ist der innerste Kern der menschlichen Wesenheit. Wie ein Mensch denkt, so ist er. Wer sich mit Beharrlichkeit edlen Gedanken hingibt, drückt seinem ganzen Wesen den Charakter des Edlen auf. Wer nur oberflächliche Gedanken durch seine Seele ziehen läßt, der gestaltet auch sein Leben oberflächlich. — Wenn wir eine Lokomotive heizen und sie dann stehen lassen, so strömt die Wärme zwecklos nach allen Seiten aus. Es kommt darauf an, daß wir die Wärme nicht verschwenden, sondern in fortbewegende Kraft umsetzen. Wie in der Natur, so ist es im Menschenleben. Wenn der Mensch denkt, so kann er seine Gedankenkraft in Inhaltvolles oder in Wesenloses umsetzen. Wer seine Gedanken an Oberflächliches, Nichtiges verschwendet, der lebt zwecklos, wer sie in Inhaltvolles umsetzt, der arbeitet an seiner Lebensentwickelung, Lebensveredelung.
Erkennt der Mensch dieses, dann wird er sich von dieser Erkenntnis durchdringen und sie zur Gesinnung seines Lebens machen. Er überzeugt sich bald, daß er [sich] seinen Aufgaben keinen Augenblick zu entziehen braucht, um einer solchen Gesinnung zu leben. Es handelt sich eben nicht darum, daß man sich Zeit schafft, um das höhere Leben zu pflegen, sondern daß man derjenigen, die man hat, den rechten Inhalt gibt. Für das Auge, für die Außenseite braucht an einem zur theosophischen Gesinnung Übergehenden gar nichts zu bemerken sein; der Ton, die Richtung seines Denkens und damit seines ganzen Wesens werden sich ändern. Wenn man solches bedenkt, erkennt man, wie tief die 'Theosophie in das Alltagsleben eingreifen kann, ohne, wie leider so viele glauben, ein Störenfried des modernen Kulturlebens zu werden.