Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31
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75. Heinrich von Treitschke “Politics”
The second volume of Treitschke's "Politics" was recently published. An honest advocate of monarchism speaks out about forms of government. He distinguishes between three possible forms of government: theocracy, monarchy and republic. In the theocracy, the supreme power of the state is based on the belief that it is appointed by the divine powers and rules in their name. Rebellion against it is at the same time a sin against the divine world order. This form of government found among oriental peoples has no basis in the worldviews of occidental peoples. The republic is based on the power of the people. Whether it is an aristocracy or a democracy, the supreme power is in the hands of the people. The ruling powers have only transferred these powers from the people. It can therefore be taken away from them at any time. In a monarchy, the family of the ruler does not have the power by delegation from the people. So where does it come from? Treitschke answers this question by saying that it has obtained it through historical development. It has come into their possession, and from this fact the feeling has gradually developed among the people that power must belong to this family. From generation to generation, the people have become accustomed to conceding the right to rule to this family. This confession from the mind of a supporter and enthusiastic defender of the monarchy is important. Treitschke has grown out of the time in which historical development was revered as a kind of divine being. This time said: what has developed in the course of history has a right to endure; and the individual can do nothing against this development. The Age of Enlightenment, which only recognized as legitimate that which could stand before the reason of the individual, was followed in our century by this histotic way of thinking. Something higher than what the individual can recognize of his own accord as the right thing was seen in that which has developed of its own accord over the course of time. Treitschke's statement, however, clearly shows that only modern man who recognizes the power of historical development can be monarchically minded. If Treitschke were not a confessor of the historical world view, he could not be a monarchist either. One can imagine how Treitschke would have smiled at someone who had said the above sentence to him. For Treitschke was a fanatic of historicism and could only regard those who were not as narrow-minded. For the science of politics, however, it is important that Treitschke showed with all the acuity that was characteristic of him: in the West, the historical way of thinking is a prerequisite for a scientific justification of the monarchical principle. The necessary conclusion that follows from his view would be that those in the West who do not think historically cannot be supporters of monarchism.
75. Heinrich von Treitschke «Politik»
Vor kurzem ist der zweite Band Treitschkes «Politik» erschienen. Ein ehrlicher Bekenner des Monarchismus spricht sich über die Staatsformen aus. Drei mögliche Staatsbildungen unterscheidet er: die Theokratie, die Monarchie, die Republik. In der Theokratie fußt die oberste Staatsgewalt auf dem Glauben, daß sie von den göttlichen Mächten eingesetzt ist und in ihrem Namen regiert. Ein Auflehnen wider sie ist zugleich eine Versündigung gegen die göttliche Weltordnung. Diese bei morgenländischen Völkern vorkommende Staatsform hat in den Weltanschauungen der abendländischen Völker keinen Boden. Die Republik baut sich auf der Volksmacht auf. Sei sie eine Aristokratie, sei sie eine Demokratie: die höchste Gewalt ist in Volkshänden. Die regierenden Mächte haben diese Gewalten nur vom Volke übertragen. Sie kann ihnen daher auch jederzeit wieder genommen werden. In der Monarchie hat die Familie des Regenten die Gewalt nicht durch Übertragung aus dem Volke. Woher hat sie sie also? Treitschke beantwortet diese Frage damit, daß er sagt: sie hat sie durch die historische Entwicklung erhalten. Sie ist in ihren Besitz gelangt, und aus dieser Tatsache hat sich im Volke allmählich das Gefühl entwickelt, daß die Macht eben bei dieser Familie sein müsse. Das Volk hat sich von Generation zu Generation daran gewöhnt, dieser Familie das Recht zu regieren zuzugestehen. Dieses Bekenntnis aus dem Kopfe eines Anhängers und begeisterten Verteidigers der Monarchie ist wichtig. Treitschke ist aus der Zeit herausgewachsen, in welcher die historische Entwicklung als eine Art göttliches Wesen verehrt worden ist. Diese Zeit sagte: was im Laufe der Geschichte sich entwickelt hat, das hat ein Recht auf Bestand; und der einzelne vermag nichts gegen diese Entwicklung. Auf das Zeitalter der Aufklärung, welches nur das als berechtigt anerkannte, was vor der Vernunft des einzelnen bestehen kann, folgte in unserem Jahrhundert diese histotische Denkweise. Man sah in dem, was sich im Laufe der Zeiten von selbst gemacht hat, etwas Höheres, als was der einzelne von sich aus als das Richtige anerkennen kann. Klar und deutlich zeigt aber gerade Treitschkes Ausführung, daß monarchisch gesinnt nur derjenige moderne Mensch sein kann, der die Macht der geschichtlichen Entwicklung anerkennt. Wäre Treitschke nicht Bekenner der historischen Weltanschauung, so könnte er auch nicht Monarchist sein. Man kann sich eine Vorstellung davon machen, wie Treitschke über jemanden gelächelt haben möchte, der ihm den obigen Satz entgegengehalten hätte. Denn Treitschke war Fanatiker des Historismus und konnte den, der es nicht ist, nur für einen bornierten Kopf ansehen. Für die Wissenschaft der Politik ist es aber wichtig, daß Treitschke mit der ganzen Schärfe, die ihm eigen war, gezeigt hat: im Abendlande ist die historische Denkweise Voraussetzung für eine wissenschaftliche Begründung des monarchischen Prinzipes. Der notwendige Schluß, der sich aus seiner Anschauung ergibt, wäre der, daß nicht historisch Denkende im Abendlande auch nicht Beken ner des Monarchismus sein können.