Collected Essays on Philosophy, Science, Aesthetics and Psychology 1884–1901
GA 30
Automated Translation
65. Jacob Burckhardt
Died on August 8, 1897
A man with the rarest of spiritual gifts passed away these days. Jacob Burckhardt, the incomparable performer of the Renaissance, died on August 8. He was to us what few writers can be to us. For few possess the power to resurrect an age before our souls with such grandeur as Burckhardt was able to do in his work "The Culture of the Renaissance in Italy" (1860). Anyone who has absorbed this book in the way it deserves according to its value must count it among the most important means of his education. The intellectual forces of the Renaissance are portrayed in simple, broad lines, and the great figures are described vividly and with profound insight. When you immerse yourself in Burckhardt's book, you live in the ideas, in the feelings of that mighty time. No feeling, no thought, no excess seems incomprehensible when you have followed the explanations of this brilliant man. He recreates in the best sense of the word what excited the Renaissance, what it lived out in deeds. He describes with dramatic power. He knows what moves the time, what moves the people of the time in their innermost being. People who know Burckhardt as a teacher assure us that he was captivating in his oral presentations, that he was able to bring past times to life in a marvelous way before his listeners. Anyone who delves into his writings will readily believe and understand this. What can be said of so many historians, it is basically the spirit of their masters in which the times are reflected: it has no application to Burckhardt. He knows how to awaken the spirit of the times in its very own form.
The tremendous effect Burckhardt was able to exert on receptive minds is best demonstrated by the effect he had on Friedrich Nietzsche. The times in which the great individuals flourished: they were Nietzsche's spiritual home. And no one knew how to lead him to them better than Burckhardt. He acknowledged with words of the greatest enthusiasm how Nietzsche came to life in the great historian's expositions, how he found in him the spiritual air that he most liked to breathe. Nietzsche counted the fact that he found Jacob Burckhardt in Basel when he came to the city as a young professor and was able to befriend him as one of the good gifts granted to him by fate. And the way in which Burckhardt approached the young genius speaks for the great trait in his personality. From the very beginning, he had the right sense of the intellectual power that was working its way to the surface in the young philosopher. Even then, he understood him like few others. It always speaks for the greatness of a mind when it is able to immediately recognize another great man as such.
Jacob Burckhardt
Gestorben am 8. August 1897
Ein Mann mit den seltensten Geistesgaben ist in diesen Tagen aus dem Leben geschieden. Jacob Burckhardt, der unvergleichliche Darsteller der Renaissance, ist am 8. August gestorben. Er ist uns gewesen, was wenige Schriftsteller uns sein können. Denn wenige besitzen die Kraft, mit solcher Größe ein Zeitalter vor unserer Seele auferstehen zu lassen, wie dies Burckhardt in seinem Werke «Die Kultur der Renaissance in Italien» (1860) vermocht hat. Wer dies Buch in der Weise in sich aufgenommen hat, wie es dies nach seinem Werte verdient, der muß es zu den wichtigsten Mitteln seiner Bildung rechnen. In einfachen großen Linien werden die geistigen Kräfte der Renaissance gezeichnet, plastisch, mit tiefdringendem Einblick die großen Gestalten geschildert. Man lebt in den Ideen, in den Empfindungen der gewaltigen Zeit, wenn man sich in Burckhardts Buch vertieft. Kein Gefühl, kein Gedanke, keine Ausschreitung erscheint unbegreiflich, wenn man den Ausführungen des genialen Mannes gefolgt ist. Er schafft im besten Sinne des Wortes nach, was die Renaissance erregt, was sie in Taten ausgelebt hat. Er schildert mit dramatischer Kraft. Er kennt, was die Zeit, was die Personen der Zeit im Innersten bewegt. Leute, die Burckhardt als Lehrer kennen, versichern, daß er im mündlichen Vortrage hinreißend war, daß er vergangene Zeiten in herrlicher Weise vor den Zuhörern lebendig zu machen wußte. Wer sich in seine Schriften vertieft, wird das ohne weiteres glauben und verstehen. Was man von so vielen Historikern sagen kann, es ist im Grunde der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln: auf Burckhardt hat es keine Anwendung. Er weiß den Geist der Zeiten zu erwecken in seiner ureigenen Gestalt.
Welch gewaltige Wirkungen Burckhardt auf empfängliche Geister auszuüben vermochte, das zeigte sich am besten an derjenigen, die er auf Friedrich Nietzsche gehabt hat. Die Zeiten, in denen die großen Individuen gediehen: sie waren Nietzsches geistige Heimat. Und niemand wußte ihn besser in diese zu führen als Burckhardt. Wie Nietzsche bei den Darlegungen des großen Historikers auflebte, wie er bei ihm die Geistesluft fand, die er am liebsten atmen mochte, das hat er mit Worten höchster Begeisterung anerkannt. Daß er in Basel, als er als junger Professor in diese Stadt kam, Jacob Burckhardt fand und sich freundschaftlich an ihn anschließen konnte, rechnete Nietzsche zu den guten Geschenken, die ihm vom Schicksal gegönnt waren. Und die Art, wie Burckhardt dem jungen Genie entgegenkam, spricht für den großen Zug in seiner Persönlichkeit. Er hatte von Anfang an die richtige Empfindung davon, welche geistige Kraft in dem jungen Philosophen sich an die Oberfläche arbeitete. Er verstand ihn schon damals wie wenige, Es spricht immer für die eigene Größe eines Geistes, wenn er einen andern Großen sofort als solchen zu erkennen vermag.