Collected Essays on Philosophy, Science, Aesthetics and Psychology 1884–1901
GA 30
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60. Dr. Leopold Drucker - Suggestion and its Forensic Significance
Lecture given at the Vienna Legal Society on December 14, 1892, Vienna 1893
The question of the forensic significance of suggestion phenomena is gaining in importance with each passing day. The fact that people can be induced to commit crimes with the help of suggestion forces us to consider hypnotism in the administration of justice. Legislation must not overlook the fact that acts which are subject to civil law can be carried out under an influence which can reduce responsibility and free will to zero. Dr. Drucker: "Just as the spread of chemistry has brought about the fact that today anyone can produce explosives of the most dangerous kind without any particular difficulty, so that the legislature has found itself moved to create its own law on the production and circulation of explosives, so the spread of the teachings on suggestion and hypnotism will bring it about in a few years that everyone will learn the not difficult art of hypnotizing; after all, hypnotizing is already practiced as a sport in broad sections of the population today, and the stage is already showing how to hypnotize. But once this evil has become naturalized, it is very difficult, almost impossible, to eradicate it. It is therefore one of the duties of the legislator to prevent such conditions." Dr. Drucker very thankfully summarizes the extent to which various countries are already in a position, according to existing legislation, to consider the detrimental consequences of acts performed under suggestive influence as punishable or invalid. Incidentally, I am convinced that this could be the case to a far greater extent if the spirit of the law were more decisive in legal decisions than the letter of the law, or rather: if the latter were used to better penetrate the former. It is possible to witness trials whose course makes the layman shudder at the abundance of legal sophistry employed, and yet which the learned jurist declares to be a matter of course. Professional education sometimes broadens the horizon; often, however, it narrows it so much that the route from Hamburg to Altona is taken via Verona.
Dr. Leopold Drucker - Die Suggestion Und Ihre Forensische Bedeutung
Vortrag, gehalten in der Wiener juristischen Gesellschaft am 14. Dezember 1892. Wien 1893
Die Frage nach der forensischen Bedeutung der Suggestionsphänomene gewinnt mit jedem Tage an Wichtigkeit. Daß Menschen mit Hilfe der Suggestion zu Verbrechen verleitet werden können, zwingt zu einer Berücksichtigung des Hypnotismus in der Rechtspflege. Auch schon der Umstand darf von der Gesetzgebung nicht übersehen werden, daß Handlungen, die dem Zivilrecht unterstehen, unter einem Einfluß vollzogen werden können, der die Verantwortlichkeit und den freien Willensentschluß bis auf den Nullpunkt herabzusetzen vermag. Mit Recht sagt Dr. Drucker: «Wie es die Verbreitung der Chemie mit sich gebracht hat, daß heute jeder ohne besondere Schwierigkeiten Sprengmittel der gefährlichsten Art erzeugen kann, so daß sich der Gesetzgeber bewogen gefunden hat, ein eigenes Gesetz über die Erzeugung und den Verkehr mit Sprengmitteln zu schaffen, so wird die Verbreitung der Lehren über die Suggestion und den Hypnotismus in einigen Jahren es dahin bringen, daß jedermann die nicht schwere Kunst des Hypnotisierens erlernt; wird ja heute bereits in breiten Bevölkerungsschichten das Hypnotisieren als Sport betrieben, wird ja heute bereits von der Bühne gezeigt, wie man zu hypnotisieren habe. Ist aber einmal dieses Übel eingebürgert, dann ist die Ausrottung desselben sehr schwer, fast unmöglich. Es gehört daher zu den Pflichten des Gesetzgebers, solchen Zuständen vorzubeugen.» In welchem Grade verschiedene Länder schon heute nach den bestehenden Gesetzgebungen in der Lage sind, die nachteiligen Folgen von Handlungen, die unter suggestivem Einfluß geschehen sind, als strafbar beziehungsweise als ungültig zu betrachten, das stellt Dr. Drucker in sehr dankenswerter Weise zusammen. Ich habe übrigens die Überzeugung, daß dies noch in weit höherem Maße der Fall sein könnte, wenn bei Rechtssprechungen mehr der Geist der Gesetze. und weniger der Buchstabe derselben ausschlaggebend wäre, oder besser gesagt: wenn der letztere dazu benützt würde, besser in den ersteren einzudringen. Man kann Prozesse erleben, deren Gang dem Laien ein Schaudern erregt über die Fülle der aufgewendeten juristischen Sophisterei und den doch der gelehrte Jurist als schlechtweg naturgemäß erklärt. Fachmännische Bildung erweitert manchmal den Horizont; oft aber engt sie ihn so ein, daß der Weg von Hamburg nach Altona über Verona genommen wird.