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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29

Automated Translation

Dramaturgische Blätter 1898, Volume I, 7

13. The Insignificant

In hardly any other art does the insignificant play such an important role as in acting. Whether an actor moves these or those facial muscles on a certain occasion, whether he moves his right hand or not: that comes into consideration. A whole scene can be disrupted by one bad hand movement by this or that actor.

Unfortunately, we are not so advanced in our acting that we notice a single bad hand movement or an incorrect contraction of a facial muscle. We usually need a whole actor who "spoils everything" to realize how necessary it is for the stage artist to meet the poet in order to bring the latter's intentions to full fruition on stage.

For the theater audience, the actor is the personality who brings the poet's intentions to their true realization.

Therefore it seems to me quite superfluous to talk about whether the art of acting is an art of the first or second rank. Differences in rank are very important in ethical terms; in the field of art they are irrelevant. For in art everything is necessary, even the seemingly trivial. The work of art must be perfect down to the last detail if it is to satisfy the strict demand for a style that is complete in itself. Nothing should disturb the harmony of the whole as an extraneous element. An actor who plays a role one degree more banal than it is meant to be can spoil a great drama.

I seem indifferent to the question of the rank that acting occupies in the ladder of the arts. What is important to me, however, is the problem: how can drama do justice to the tasks set for it by the poets.

Everything revolves around this: does acting have an independent significance alongside drama or not?

I believe that it definitely has such an independent significance. The work of a stage artist is only finished when it is brought to the real stage with the means of dramatic art.

The proof of this is very simple. way. In Shakespeare's time, Hamlet certainly had to be played differently than it is today, using the means of the dramatic art of the time.

We may not play Hamlet any better than it was played in Shakespeare's time, but we play it differently. But if we played it today the way Shakespeare had it played, we would be playing it badly.

But if one has different means of realizing a thing, and one time's realization can be good, the other time bad: the means have an independent meaning.

The art of acting is a means, but a means of independent significance.

How X plays Posa, and that he plays it differently from Y, is what matters.

What is expressed in the personality of Posa is certainly one and the same for all times. How it should be expressed through the art of acting changes from decade to decade.

Therefore we should not speak of the insignificant in the art of acting. Rather, we should think about what is important in this art. It is ridiculous to call the art of acting a reproductive art. Drama is for the true actor what reality, nature, is for the playwright. As productive as the dramatist is towards nature, so productive is the actor towards drama. He elevates the drama into a new, special artistic sphere. If the drama is a piece of nature, seen through the temperament of the playwright, then the performed stage work is a drama, seen through the temperament of the director and the actors.

If we do not want to willfully lower the status of dramatic art, we must accept it as an independent art and reflect on its peculiar technical means, then it will present itself to us as an independent art that is similar to the other arts.

When we have realized this, we will think less about its subordinate rank; . we will be fairer towards it.

The art of acting needs such justice. For today it is often regarded as the stepchild of the arts.

This prejudice is particularly widespread among producing playwrights. It must be overcome.

And it will be overcome the moment we are clear about the relationship between acting and dramatic poetry.

We lack a real technique of dramatic art. It must first be present. Then both poets and actors will recognize it. And then both categories of artists will understand each other.

At present, such an understanding is lacking.

DAS UNBEDEUTENDE

Kaum in einer Kunst spielt das Unbedeutende eine so große Rolle wie in der Schauspielkunst. Ob ein Schauspieler bei einem gewissen Anlasse diese oder jene Gesichtsmuskeln bewegt, ob er die rechte Hand bewegt oder nicht: das kommt in Betracht. Eine ganze Szene kann durch eine schlechte Handbewegung dieses oder jenes Schauspielers gestört werden.

Wir sind leider in unserer Schauspielkunst gar nicht so weit, daß wir eine einzige schlechte Handbewegung oder eine falsche Zusammenziehung eines Gesichtsmuskels bemerken. Wir brauchen zumeist einen ganzen Schauspieler, der «alles verdirbt», um zu bemerken, wie notwendig es ist, daß der Bühnenkünstler dem Dichter entgegenkomme, um des letzteren Intentionen auf der Bühne zur vollen Geltung zu bringen.

Der Schauspieler ist für das Theaterpublikum die Persönlichkeit, welche die Absichten des Dichters zur wahrhaften Ausführung bringt.

Deshalb erscheint es mir ganz überflüssig, davon zu reden, ob die Schauspielkunst eine Kunst ersten oder zweiten Ranges ist. Rangunterschiede sind in ethischer Beziehung sehr wichtig; im Gebiete des Künstlerischen kommen sie nicht in Betracht. Denn im Künstlerischen ist alles notwendig; auch das scheinbar Nebensächliche. Das Kunstwerk muß vollendet sein bis in die Einzelheiten hinein, wenn es der strengen Forderung nach einem in sich vollendeten Stil genügen soll. Nichts darf da als fremdes Element die Harmonie des Ganzen stören. Ein Schauspieler, der eine Rolle um einen Grad banaler spielt, als sie gemeint ist, kann ein großes Drama verderben.

Mir scheint die Frage nach dem Range, den die Schauspielkunst in der Stufenleiter der Künste einnimmt, gleichgültig. Wichtig dagegen ist mir das Problem: wie kann die Schauspielkunst den Aufgaben gerecht werden, die ihr von den Dichtern gestellt werden.

Alles dreht sich darum: kommt der Schauspielkunst neben der Dramatik eine selbständige Bedeutung zu oder nicht?

Ich glaube, es kommt ihr unbedingt eine solche selbständige Bedeutung zu. Das Werk eines Bühnenkünstlers wird erst fertig, wenn es mit den Mitteln der Schauspielkunst auf die wirkliche Bühne gebracht wird.

Der Beweis dafür ist auf sehr einfache. Art zu führen. Zu Shakespeares Zeiten mußte mit den Mitteln der damaligen Schauspielkunst der Hamlet ganz gewiß anders gespielt werden als heute.

Wir spielen den Hamlet vielleicht nicht besser, als man ihn zu Shakespeares Zeiten gespielt hat, aber wir spielen ihn anders. Spielten wir ihn aber heute so, wie ihn Shakespeare spielen ließ, so spielten wir ihn schlecht.

Wenn man aber verschiedene Mittel hat, ein Ding zu verwirklichen, und das eine Mal’die Verwirklichung gut, das andere Mal schlecht sein kann: so haben die Mittel eine selbständige Bedeutung.

Die Schauspielkunst ist ein Mittel, aber ein Mittel von selbständiger Bedeutung.

Wie der X den Posa spielt, und daß er ihn anders spielt als der Y, darauf kommt es an.

Was in der Persönlichkeit des Posa ausgedrückt ist, das ist gewiß für alle Zeiten ein und dasselbe. Wie es durch die Schauspielkunst ausgedrückt werden soll, das ändert sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt.

Deshalb sollen wir nicht von dem Unbedeutenden in der Schauspielkunst sprechen. Wir sollten vielmehr darüber nachdenken, worauf es in dieser Kunst ankommt. Lächerlich ist es, die Schauspielkunst eine reproduktive Kunst zu nennen. Das Drama ist für den wahren Schauspieler das, was die Wirklichkeit, die Natur, für den Dramatiker ist. So produktiv der Dramatiker der Natur gegenüber ist, so produktiv ist der Schauspieler dem Drama gegenüber. Er erhebt das Drama in eine neue, besondere künstlerische Sphäre. Ist das Drama ein Stück Natur, durch das Temperament des Dramatikers hindurchgesehen, so ist das dargestellte Bühnenwerk ein Drama, durch das Temperament des Regisseurs und der Schauspieler hindurchgesehen.

Wenn wir nicht mutwillig den Rang der Schauspielkunst herabdrücken wollen, so müssen wir sie als selbständige Kunst gelten lassen und über ihre eigenartigen technischen Mittel nachsinnen, dann wird sie sich uns als eine selbständige Kunst darstellen, die gleichartig ist mit den anderen Künsten.

Wir werden, wenn wir das eingesehen haben, weniger über ihren untergeordneten Rang nachdenken; . gerechter werden wir gegen sie sein.

Die Schauspielkunst hat solche Gerechtigkeit notwendig. Denn sie wird heute vielfach als das Stiefkind unter den Künsten angesehen.

Dieses Vorurteil ist besonders unter den produzierenden Dramatikern verbreitet. Es muß überwunden werden.

Und es wird überwunden sein in dem Augenblicke, in dem man sich klar sein wird über das Verhältnis zwischen Schauspielkunst und dramatischer Dichtung.

Uns fehlt eine wirkliche Technik der Schauspielkunst. Sie muß erst vorhanden sein. Dann werden sowohl Dichter wie Schauspieler sie anerkennen. Und dann werden beide Kategorien von Künstlern sich verstehen.

Gegenwärtig fehlt es an einem solchen Verständnis.